Interview

Erich: Unsere Gewerkschaften unterstützten die Betriebsrät Innen in vielerlei Hinsicht.

Brücke: D​ie austrotürkischen Medien​ und die ÖGB haben in der Vergangenheit immer gut zusammengearbeitet. Viele wertvolle Informationen wurden an die austrotürkische Lesercommunity weitergegeben. Leider hat dieses Vertrauen mit der Zeit nachgelassen. Können Sie uns hier Gründe nennen?

Erich Foglar: Diese Einschätzung lässt sich unserseits nicht bestätigen. Studien mit klar belegbaren Rückschlüssen sind uns in diesem Zusammenhang auch nicht bekannt. Im Gegenteil: Wir bekommen gerade durch die muttersprachliche Beratung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen (u.a. in türkischer Sprache) sehr viele positive Rückmeldungen. Auch von vielen BetriebsrätInnen hören wir immer wieder, dass sich ArbeitnehmerInnen mit oder ohne Migrationshintergrund für die Unterstützung des ÖGB und seiner Gewerkschaften bedanken.

Natürlich gibt es immer Luft nach oben. So ist es aus unserer Sicht durchaus sinnvoll, in Zukunft noch stärker auf die Interessen migrantischer ArbeitnehmerInnen Rücksicht zu nehmen.

Brücke: Generell bekommen wir ​seitens austrotürkischer Gewerkschaftsmitglieder ​mit, dass Migranten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, da hier auch nur wenige Maßnahmen unternommen werden – die Tendenz ​zu den Mitgliedern ist sinkend. ​Woran ​könnte das Ihrer Meinung nach liegen?

Erich Foglar: ÖGB und Gewerkschaften engagieren sich auf vielfältige Art und Weise für alle ArbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund. Beispielsweise ist bei uns im Haus die muttersprachliche Rechtsberatung in arbeits- und sozialrechtlichen seit vielen Jahren fest verankert. Mittlerweile bieten wir diese auf Türkisch, Kurdisch, Moldawisch, Rumänisch, Russisch, Bulgarisch und Arabisch an. Außerdem haben wir Rechthilfebroschüren für alle besagten Sprachen entwickelt. ÖGB und Gewerkschaften sind auch Teil des UNDOK-Verbands, einer Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender, die in der Regel MigrantInnen sind.

BrückeWas machen die Gewerkschaften für austrotürkische ​Mitglieder?​ Wie kommunizieren Sie mit diese​r Gruppe und über welche Medien?

Erich Foglar: Wir machen bei unserer Kommunikation mit unseren Mitgliedern keinen Unterschied zwischen Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund. Der ÖGB hat mit der „Solidarität“ eine eigene Zeitschrift und betreibt gemeinsam mit der AK das Magazin „Arbeit & Wirtschaft“ sowie den dazugehörigen Online-Blog. Außerdem haben unsere Gewerkschaften jeweils Mitgliederzeitschriften. Zusätzlich haben ÖGB und Gewerkschaften eigene Homepages und auch eigene Facebook-Seiten, über die wir mit unseren Mitgliedern und der allgemeinen Öffentlichkeit kommunizieren. Der ÖGB betreibt darüber hinaus einen Twitter-Account und einen You-Tube-Kanal.

BrückeWelche ​Maßnahmen werden​ gesetzt,​ ​um austrotürkische Mitglieder​ ​für die​ ÖGB und seinen Gewerkschaften​ zu bewerben? Haben Sie diesbezüglich vielleicht Informationen für uns?

Erich Foglar: Mitgliederwerbung ist für den ÖGB natürlich ein wichtiges Thema. Wir wollen möglichst viele ArbeitnehmerInnen in Österreich für uns gewinnen. Die muttersprachliche Rechtsberatung im ÖGB ist eine gute Gelegenheit, verstärkt migrantische ArbeitnehmerInnen von einer ÖGB-Mitgliedschaft zu überzeugen.  Unsere Gewerkschaften unterstützten die BetriebsrätInnen in vielerlei Hinsicht und werben gemeinsam mit Ihnen auch neue Mitglieder direkt im Betrieb.

Brücke: Was​ erwarten Sie von den austrotürkischen Medien​, um wieder eine bessere Zusammenarbeit mit der ÖGB zu forcieren, sodass für alle Beteiligten ein zufriedenstellendes Ergebnis erlangt wird?

Erich Foglar: Es wäre natürlich sehr begrüßenswert, wenn austro-türkische Medien verstärkt über arbeitnehmerInnen-relevante Themen berichten würden. Der ÖGB steht hier grundsätzlich Interviews und Gesprächen immer offen gegenüber. Ein konstruktiver und kritischer Austausch mit vielen verschiedenen Medien, so auch mit jenen der austro-türkischen Community, wäre sicherlich eine positive Entwicklung.

Brücke: Die neue Regierung überlegt, die Kammerumlagen abzuschaffen. Welche Vor- und Nachteile hätte dies für die Bevölkerung​ und welche Meinung haben Sie dazu?​

Erich Foglar: Die Abschaffung der gesetzlichen, solidarischen Mitgliedschaft in den Kammern würde zahlreiche Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen mit sich bringen. Eine Kürzung der Kammerbeiträge hätte ebenso negative Folgen für das Erfolgsmodell der Sozialpartnerschaft. Es gibt ja nicht nur die Arbeiterkammer (AK) und Wirtschaftskammer (WKÖ), sondern auch die Landwirtschaftskammer, Landarbeiterkammer sowie die Kammern der freien Berufe (RechtsanwältInnen, NotarInnen, ApothekerInnen, ÄrztInnen, ArchitektInnen).

Ohne gesetzliche, solidarische Mitgliedschaft in der WKÖ könnten Unternehmen einseitig aus den Kollektivverträgen (KV) austreten, was gleichbedeutend mit dem Ende des KV-Systems wäre. Führen wir uns einmal die Fakten vor Augen: Allein im Jahr 2016 hat die Arbeiterkammer 2 Millionen Beratungen durchgeführt und 532 Millionen Euro für  ihre Mitglieder erstritten. Mehr als 800.000 der rund 3,6 Millionen AK-Mitglieder zahlen überhaupt keine Beiträge. Die AK ist als Teil des bewährten Kammermodells also eine höchst erfolgreiche Einrichtung.

Brücke: Seitens der Gewerkschaften findet wenig Kommunikation an diverse Migrantenmedien statt, sodass Migrantische Betriebsräte in diesen Kernmedien, die von zB AustrotürkInnen konsumiert werden, bei Ihrer eigenen Community nicht bekannt werden und daher viele nicht wissen, wofür diese Menschen einstehen. Wir fragen daher, ob sich die Kommunikation im Zusammenhang mit migrantischen Medien zukünftig verbessern wird, sodass auch diese Betriebsräte über eben diese Medien ein besseres Vertrauen zur Community aufbauen können?

Erich Foglar: Grundsätzlich entscheiden nicht der ÖGB oder seine Gewerkschaften darüber, ob in diversen Medien über uns und unsere Arbeit berichtet wird oder nicht. Die besagten Medien entscheiden selbst, welche Themen sie aufgreifen. Es wäre sicherlich erfreulich, wenn austro-türkische Medien verstärkt die wichtige Arbeit von BetriebsrätInnen thematisieren. Wir freuen uns im Übrigen auch, wenn migrantische Medien öfter an unseren Pressekonferenzen teilnehmen würden.

Brücke: Leider haben wir auch wahrgenommen, dass kaum MigrantInnen In den gewerkschaftlichen Ausbildungsstätten (BAK) aufgenommen und ausgebildet werden. Wie werden Personen bevorzugt ausgewählt? Was ist hier der ausschlaggebend? 

Erich Foglar: Die Gewerkschaften des ÖGB nominieren die TeilnehmerInnen der BetriebsrätInnen-Akademie (BRAK) und achten dabei verstärkt auf eine möglichst repräsentative Zusammensetzung. So sollen nicht nur BetriebsrätInnen mit Migrationshintergrund, sondern auch ausreichend Frauen sowie VertreterInnen unterschiedlicher Branchen teilnehmen können. In den letzten Jahren ist der Anteil migrantischer TeilnehmerInnen stetig gestiegen. Sollte ein/e BewerberIn abgelehnt werden, liegt das unserer Erfahrung nach in erster Linie an formalen Gründen. Denn schließlich müssen TeilnehmerInnen ÖGB-Mitglieder sein und entweder aktive BetriebsrätInnen oder hauptamtlich für den ÖGB oder seine Gewerkschaften tätig sein.

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