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Babler:„Wir sind aller Teil dergroßen Menschenfamilie“

Unsere Reihe exklusiver Interviews geht weiter. Dieses Mal haben wir Herrn Andreas Babler unsere Fragen gestellt. Auf dem Parteitag im November wurde Babler mit fast 90% zum Vorsitzenden gewählt. Er und seine Partei, die SPÖ, bereiten sich nun auf ein spannendes neues Jahr bevor, denn die Nationalratswahlen stehen bevor.

Herr Babler, zunächst herzlichen Glückwunsch zum im letzten Parteitag erreichten Traumergebnis von nahezu 90%. Was erwartet die SPÖ in den nächsten Wochen und Monaten?

Das war ein cooler Parteitag. Das ganze Präsidium und der Vorstand haben am Parteitag super Ergebnisse bekommen. Das zeigt, wie geschlossen wir sind und dass wir gemeinsam mit aller Kraft und mit unserem ganzen Herzblut für ein besseres und gerechteres Österreich kämpfen. Wir sind wieder da! Unser Parteitag hat uns viel neuen Schwung gegeben. Das war der Anpfiff für ein Match – und wir gehen als Team raus und spielen dieses Match, um zu gewinnen! Denn es geht darum, Österreich gerechter zu machen und das Leben der Menschen zu verbessern.

In der Bundespolitik sind sie noch ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Wie empfinden Sie die neuen Aufgaben? Wie groß ist der Spagat zwischen Kommunal- und Bundespolitik, den Sie nun bewältigen müssen?

Als Bürgermeister von Traiskirchen ist man mittendrin in der Bundespolitik. Mir geht es darum, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. In Traiskirchen waren wir die ersten, die Mietpreisbremsen nach Haushaltseinkommen ausgearbeitet haben. Und wir ermöglichen jedem Kind ein gesundes Mittagessen. Das gleiche will ich in ganz Österreich umsetzen. 

‚2024 WIRD EINE RICHTUNGSWAHL‘

Das Jahr 2024 wird für Sie eine wichtige Bewährungsprobe. Wie bereiten Sie sich auf die kommenden Wahlen vor?

Wir haben am Parteitag die Weichen für die kommenden Wahlen gestellt und unseren Plan für ein besseres Österreich vorgestellt: Das Gesundheitssystem muss nach der Periode der schwarz-blauen Abrissbirne wieder aufgebaut werden – wir wollen ein Recht auf einen Facharzttermin innerhalb von 14 Tagen. Die Preise müssen gesenkt werden, damit das Leben leistbar ist. Und mit Pilotprojekten für eine 4-Tage-Woche wollen wir einen ersten Schritt zur Arbeitszeitverkürzung setzen.

Noch sehen die Umfragen anders aus. Wie will es die SPO zur Regierung schaffen?

Wir sind in den letzten Wochen und Monaten in den Umfragen kontinuierlich gestiegen. Ich bin sehr optimistisch, dass die Wahlen für uns gut ausgehen werden. Die Menschen wissen, dass das Jahr 2024 eine Richtungsentscheidung ist: Menschenfeindlich oder menschenfreundlich, Abriss oder Aufbau, Ellbogen oder Herz – das ist eine Entscheidung zwischen der FPÖ und uns als SPÖ. Nur eine starke Sozialdemokratie kann eine blau-schwarze Regierung verhindern und das Leben für alle Menschen besser machen. 

‚WIR SIND EINIG UND GESCHLOSSEN‘

Medial tauchte Ihre Partei zuletzt vor allem mit internen Diskussionen und Streitigkeiten auf. Haben sich diese wieder gelegt?

Die SPÖ ist eine Partei, in der Redekultur und Austausch gelebt werden. Und das ist auch gut so. Jede und jeder darf die Meinung äußern. Dass wir einig und geschlossen sind, hat man am Parteitag gesehen. Nicht nur die SPÖ-Gremien wurden mit riesengroßer Mehrheit gewählt, auch die inhaltlichen Positionen und wichtigen Parteireformen wurden mit überwältigender Mehrheit beschlossen. 

Die letzten Monate waren stark von internationalen Krisen geprägt. Der Ukrainekonflikt hat eine neue Diskussion über die Flüchtlingskrise ausgelöst. Viele Kommunen beschweren sich über unzureichende Kapazitäten. Wie möchte die SPÖ hiergegen vorgehen?

Die Städte und Gemeinden in Österreich leisten Großartiges. Sie leisten humanitäre Hilfe in der Ukraine und kümmern sich um geflüchtete Menschen in Österreich. Die Bundesregierung muss alles dafür tun, die Städte und Gemeinden genau wie die engagierte Zivilbevölkerung nach Kräften zu unterstützen, damit diese weiterhin die Hilfsangebote aufrecht erhalten und Geflüchtete versorgen können.

‚UNSERE NEUTRALITÄT IST EIN ZUKUNFTSPROJEKT‘

Ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist die Neutralität Österreichs. Was bedeutet diese Neutralität für Sie und die SPÖ? Sollte hier womöglich eine Änderung eintreten?

Unsere Neutralität ist ein gutes politisches Instrument, um Krisen und Kriege verhindern zu können. Ich halte die Neutralität für ein Zukunftsprojekt, das es uns möglich macht, endlich wieder sozialdemokratische Neutralitätspolitik basierend auf einer aktiven Außenpolitik zu betreiben und nicht einfach nur die Neutralität taktisch zu bewerten, wie das ÖVP und FPÖ immer machen. Österreich hat als neutrales Land und Sitz der Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung, aktive Außen- und Friedenspolitik zu betreiben. Hier braucht es wieder eine starke sozialdemokratische Handschrift.

Mit den Sanktionen gegenüber Russland ist auch die Teuerung stärker in den Fokus gerückt. Wird da Ihr vor dem Parteitag vorgestellter Masterplan ausreichen, um der Teuerung entgegenzuwirken?

Die Untätigkeit der österreichischen Regierung im Kampf gegen die Teuerung ist der Grund dafür, dass Österreich die höchste Inflation in Westeuropa hat. Die SPÖ lässt niemanden im Stich. Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel muss ausgesetzt werden, die Mieten müssen eingefroren und eine schlagkräftige Anti-Teuerungskommission zur Überwachung der Preise eingesetzt werden. Mit unserem Masterplan haben wir die richtigen Lösungen, um endlich die Preise zu senken. 

Als Andreas Babler sind Sie bekannt dafür, dass Sie einen großen Teil Ihres Einkommens an armutsbetroffene Kinder und Jugendliche spenden. Wie wird sich diese Eigenschaft von Ihnen in der Bundespolitik bemerkbar machen?

Wie ich es angekündigt habe, spende ich mein Gehalt als Bundesrat. Damit unterstütze ich Organisationen wie die Volkshilfe im Kampf gegen Kinderarmut. 

‚EIN GUTES LEBEN FÜR MIGRANTEN‘

Gerade in der migrantischen Bevölkerung genießt die SPÖ große Unterstützung. Aber was versprechen Sie der migrantischen Bevölkerung?

Wir sind alle Teil der großen Menschenfamilie. Menschen, die schon vor langer Zeit als sogenannte Gastarbeiter*innen gekommen sind, sind ein Teil von uns, Teil unserer Gesellschaft. Bereits mein Großvater ist mit Menschen aus der Türkei und dem damaligen Jugoslawien an der Werkbank gestanden. Unsere Kinder sitzen zusammen in Schule und Kindergarten, wir stehen zusammen mit ihnen im Job. Ihnen will ich, so wie jedem anderen, ein gutes Leben ermöglichen – mit leistbaren Preisen, einer erstklassigen Gesundheitsversorgung und der besten Bildung für die Kinder. 

In den letzten Jahren haben sich insbesondere die bilateralen Beziehungen zu Türkiye positiv verändert. Wie wirkt sich dies Ihrer Meinung nach auf das Zusammenleben hier aus? Wird diese Basis unter einer SPÖ-Regierung weiter ausgebaut werden?

Für mich ist insbesondere das positive Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen wichtig. Das funktioniert nur durch einen regen Austausch aller miteinander. Jede und jeder, die oder der in Österreich lebt, soll sich als Teil einer offenen, demokratischen Gesellschaft verstehen. Im Zusammenleben aller liegt der Erfolg für uns alle begründet.

‚KURZ ALS BUNDESKANZLER WAR EINE POLITIK DES AUSEINANDERDIVIDIERENS‘

Wird es unter einem Kanzler Babler wieder türkischsprachige Führerscheinprüfungen geben? Bekanntlich wurden diese ja in der Amtszeit von Sebastian Kurz abgeschafft.

Ich brauche nicht zu betonen, dass in der Amtszeit von Sebastian Kurz als Bundeskanzler eine Politik des Auseinanderdividierens der Gesellschaft erfolgte. Das Problem, das sich bei einer Wiedereinführung stellt, ist, ob es verwaltungstechnisch möglich ist, allen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund dieses Service anbieten zu können. Gleichzeitig ist es im Sinne der Verkehrssicherheit, dass die in deutscher Sprache gehaltenen Verkehrsregeln problemlos verstanden und gehandhabt werden können. Ich würde sagen, dass die Amtssprachen in den verschiedenen Staaten auch einen integrativen Beitrag leisten. Wobei ich hier auch auf das gute Übersetzungsservice, das wir in sehr vielen Bereichen in Österreich haben, verweisen möchte. Dies ist mir wichtig, damit kein Mensch benachteiligt ist.

Verschiedene SPÖ-Verbände haben im Oktober des Jahres Anträge auf Änderung des Staatsbürgerschafsrechts für den Parteitag eingereicht. Welche von den Anträgen kamen durch die Antragskommission? Welche Veränderungen plant die SPÖ im Staatsbürgerschafsrecht?

Es ist demokratiepolitisch untragbar, dass immer mehr Arbeiter*innen in Österreich nicht wahlberechtigt sind, weil ihnen die österreichische Staatsbürger*innenschaft fehlt. Die sozialen, finanziellen und bürokratischen Hürden zur Staatsbürger*innenschaft müssen gesenkt werden. Wer hier lebt und arbeitet, muss auch mitbestimmen dürfen.

‚FÜR EINE INTEGRATION MÜSSEN NÖTIGE RESSOURCEN ZUR VERFÜGUNG STEHEN‘

In einem Interview mit „Der Standard“ plädierten Sie kürzlich für „volle Integrationsmöglichkeiten“. Was würden Sie anders machen als die Regierung? Und welche Rolle fällt dabei auf Migrantenmedien?

Bildung von Anfang an ist der Schlüssel für gelungene Integration. Wir müssen in Bildungseinrichtungen investieren, Deutschkenntnisse fördern und Jugendcolleges für Jugendliche anbieten, die nicht mehr schulpflichtig sind. Wenn wir wollen, dass sich Menschen in unsere Gesellschaft integrieren, müssen wir ihnen auch die Möglichkeiten geben und die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung stellen.

Für viele migrantische Medien wie die Brücke spielt das Thema Finanzierung eine große Rolle. Die Bundesländer, Ministerien, Parteien, Staatliche Institutionen haben keine Budgets, um diese zu unterstützen. Dabei können migrantischen Medien dazu helfen, besser bei der migrantische Bevölkerung anzukommen. Plant die SPÖ dahingehend Veränderungen?

Letzte Woche wurde – auch mit Stimme der SPÖ – das Qualitäts-Journalismus-Förderungsgesetz beschlossen. Auch wenn wir einige Punkte kritisiert haben, geht das Gesetz in die richtige Richtung. Generell wollen wir die Medienförderung mehr auf Innovation und Medienvielfalt ausrichten. Da spielen migrantische Medien auch eine wesentliche Rolle. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kriterien so sind, dass die Medienvielfalt bestmöglich unterstützt wird.

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