Franz: Es muss von beiden Seiten versucht werden, Brücken zu bauen.
Franz Schnabl (geboren am 14. Dezember 1958 in Neunkirchen) ist ein österreichischer Politiker und ehemaliger Polizist. Seit 21. September 2017 ist er Landesrat für Gesundheit, soziale Verwaltung und Asyl in der Landesregierung Mikl-Leitner. Seit 24. Juni 2017 ist er Landesparteiobmann der SPÖ Niederösterreich und Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl in Niederösterreich 2018. Im Rahmen dieser Wahlen hat er dem Brücke Magazin in einem exklusiven Interview Antworten zu den wichtigsten Themen gegeben, die unsere Lesercommunity und unsere Gesellschaft bewegen.
Brücke: Woran könnte es liegen, dass kaum Kandidaten mit migrantischen Hintergrund einen fixen Platz als Landtagsabgeordnete in der Liste der SPÖ haben?
Schnabl: Wir haben schon mehrere Kandidaten und Kandidatinnen mit Migrationshintergrund, die wir auch auf vorderen Plätzen der Landesliste bzw. der Bezirkslisten gereiht haben. Die Landesliste muss natürlich zuerst beim Landesparteirat am 11. Dezember gewählt werden. Insgesamt ist unsere Liste ein Abbild des politisch-gesellschaftlichen Engagements im Rahmen der Sozialdemokratie in den Gemeinden, im Land und in der Partei.
Brücke: Uns ist aufgefallen, dass Ihre Partei leider kaum Kontakt zu diversen Migrationsmedien hat, vor allem in austrotürkischen. Wir wissen natürlich, dass in St. Pölten eng zusammengearbeitet wird, aber was ist mit dem restlichen Niederösterreich? Sind hier Zusammenarbeiten oder Kooperationen mit Migrationsmedien geplant?
Schnabl: Ich kann über regionale Kooperationen nur soweit Auskünfte geben, wie ich selbst davon weiß. Aber ich gehe davon aus, dass die regionalen Kooperationen mit Migrationsmedien und anderen Gruppen in allen Bezirken und Gemeinden gut funktionieren. Ein paar davon sind mir auch bekannt wie zum Beispiel Kooperationen in Neunkirchen, Gloggnitz und Bruck. Auf Landesebene suchen wir solche Kooperationen ganz gezielt, wobei ich hier den Wahlkampfleiter der SPÖ NÖ gebeten habe, zusammen mit unserer Kommunikationsabteilung zwei bis drei Kooperationsplattformen ganz gezielt anzusprechen.
Brücke: Mit Kooperationen meinen wir auch politisch aktive Institutionen, wie zum Beispiel Herrn Firat als Gemeinderat in St. Pölten. Leider ist der austrotürkischen Community nicht bekannt, dass auch auf dieser Ebene austrotürkische Personen politisch aktiv sind, was wir darauf zurückführen, dass solche Informationen zu wenig an die Kernmedien bzw. Migrantenmedien kommuniziert werden, die vor allem von austrotürkischen Personen konsumiert werden. Es gibt diese Leute zwar, aber der Community sind diese eben nicht bekannt, da die Zusammenarbeit zwischen Migrantenmedien und der SPÖ zu gering ist. Menschen wie Herr Ali Firat, bemühen sich und versuchen auch Menschen mit Migrationshintergrund gezielt anszusprechen. Dies funktioniert jedoch nicht so gut, da diese Kommunikation nicht an den Empfänger weitergetragen wird.
Schnabl: Ich kenne hier jedoch Beispiele auf lokaler Ebene. Beispielsweise in Ternitz ist mir eine bekannt. Auf Landesebene sind wir nun gezielt und vermehrt auf der Suche nach solchen Partnern, um die Kommunikation hier zu stärken.
Brücke: Arbeit, soziale Unterstützung und Wohnen sind ein wichtiges Thema für die austrotürkische Community. die Ansprüche dazu, beispielsweise für Förderungen und Beihilfen, sind jedoch sehr streng geregelt, es ist vorgesehen, dass nur langfristig aufhältige Personen diese verschiedenen Beihilfen, wie z.B. die Wohnbeihilfe, bekommen, diese wären Staatsbürger, EU-Bürger und ERW-Bürger. Wir wissen, es stellt für viele Menschen, die hier schon länger leben, vor allem für austrotürkische Menschen, ein Hindernis dar. Wenn Sie im Landtag vertreten sind, was würden Sie hier ändern wollen, würden Sie Programme und Maßnahmen einführen, die es solchen Personen ermöglicht, leichter Beihilfen zu bekommen, sehen Sie hier möglicherweise eine Flexibilisierung für Förderrichtlinien vor?
Schnabl: Die Flexibilisierung von Förderrichtlinien ist uns sicher ein Anliegen, dies auch jenseits der zeitlichen Barrieren. Wenn es darum geht, Arbeitsförderungen bzw. Beschäftigungsprogramme umzusetzen, sind wir ohnedies nur an Beschäftigungsbewilligungen gebunden und nicht an Staatsbürgerschaften oder dergleichen.
Brücke: Also sind Sie bei Bildungsförderungen und Wohnförderungen für vereinfachte Richtlinien? In Niederösterreich sind die meisten Bereiche hinsichtlich der Förderzusagen ja mit einer Staatsbürgerschaft in Österreich, der EU oder EWR verknüpft. In Wien gibt es eben die Ausnahme bei der Wohnbeihilfe, dass eine betroffene Person zwei Jahre in Wien aufhältig sein muss und danach dieselben Ansprüche auf die Beilhilfe beim Wohnen hat. In Niederösterreich ist dies nicht der Fall. Wir wissen im Bildungsbereich, dass vereinzelt Ansätze vorhanden sind, Bildungsangebote leichter zugänglich zu machen und die Förderungsansprüche zu vereinfachen, aber es wird eben längst noch nicht alles durchgesetzt.
Schnabl: Auch wir sehen beim Wohnen die Erleichterung der Richtlinie vor, dass eine Förderung an die Aufenthaltsdauer gebunden werden soll und nicht an eine Staatsbürgerschaft. Bei Bildungsprogrammen ist uns ein solches Problem zwar bewusst, aber wir suchen hier nach Lösungen. Wir haben auf Gemeindeebene zwar einen geregelten Förderunterricht für junge SchülerInnen, geht es aber über die Weiterbildung hinaus, müssen wir hier dem Problem natürlich genauer auf den Grund gehen um eine Lösung zu finden. Ich kann mir bestimmt auch vorstellen, Bildungsförderungen an die Aufenthaltsdauer zu binden. Für uns ist ein Zugang zur Bildung allgemein idealerweise ein vollkommen gebührenfreier. Wir wollen generell, dort wo die Gebühr wiedereingeführt wurde, keine mehr verlangen. Dies also auch bei öffentlichen Weiterbildungsinstituten, Fachhochschulen und Universitäten, außer bei privaten natürlich, das ist ohnedies nicht unser Fokus. Aber Gebührenfreiheit und freie Bildung ist ein grundsätzlich politisches Ziel und wenn es hilft, die Gebührenbefreiung aufenthaltsdauerabhängig zu machen, um eine bessere Integration zu ermöglichen, dann ist dies vielleicht ein gutes Zwischenziel.
Brücke: Sind Sie auch dafür, Maßnahmen und Programme zur besseren Integration von Arbeitsmigranten einzuführen? Welche wären das?
Schnabl: Absolut! Dem stimme ich nur zu. Sie nehmen mir jetzt vorweg, was ich ohnehin bald ankündigen wollte: In unserem Arbeitsprogramm „Niederösterreich Neu Denken“, stellen wir am 14. Dezember unter anderem auch unsere Maßnahmen zur Integration vor. Unser Schlagwort lautet hier vor allem: „Integration von Anfang an“ und hierzu zählen natürlich die Sprache und das Bildungsthema für Migrationsgruppen.
Brücke: Würden Sie dieses Programm dann auch vermehrt über Migrantenmedien weiterkommunizieren? Zum Beispiel über uns?
Schnabl: Gerne! Aber natürlich muss dann eben transparent und klar trotz allem die Medienlandschaft gescreent werden, welche Zielgruppen damit am besten angesprochen werden können.
Brücke: Wir haben uns ein bisschen über Sie schlau gemacht und wissen, dass Sie einen polizeilichen Background haben. Nun ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass es vor allem in Wien und Niederösterreich an Polizisten mangelt. Bei einer Anfrage an das Innenministerium, offene Stellen in unserem Magazin zu bewerben, verweisen die zuständigen Stellen an die Kollegen auf Landesebene und dass Ihnen hier vermehrt die Hände gebunden sind. Da gerade in Niederösterreich und Wien die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Migrationshintergrund sehr hoch ist, wären junge Quereinsteiger doch recht gerne gesehen. Wir verstehen nicht, warum hier solche Barrieren vorhanden sind, wir brauchen diese Polizisten und wir laufen Gefahr, Parallelgesellschaften zu entwickeln, die man erfolgreich verhindern könnte, wenn junge Migranten mehr in die Exekutive eingebunden werden könnten. Dort, wo Sprachbarrieren vorhanden sind, können diese Menschen auch in Muttersprache bei Einsätzen kommunizieren. Die Bereitschaft zur Integration und Zusammenarbeit ist sehr groß, und wir möchten mit unserem Medium zeigen, dass wir ebenfalls einen Beitrag leisten wollen. Wie können wir hier also Vorteile für alle schaffen?
Schnabl: Die Vergabe von Aufträgen dieser Art obliegt mit absoluter Mehrheit der Landeshauptfrau, daher können auch wir hier nicht viel dazu sagen. In meiner Zeit bei der Polizei hatte ich die Idee entwickelt, bei einem Aufnahmeverfahren in den Polizeidienst Sprachkenntnisse bei den Rekrutierungen über ein Punktesystem, vor allem bei Personen mit Migrationshintergrund, zu honorieren. In anderen Worten bedeutet das, dass bei der Aufnahmeprüfung, sollten zusätzliche gute Sprachkenntnisse vorhanden sein, diese in Form von Zusatzpunkten anzuerkennen, sodass diese dabei helfen, in den Dienst aufgenommen zu werden. Die Politik und der öffentliche Dienst sind auch ein Abbild der Bevölkerung und die Sprachkompetenzen sind ein zusätzliches Asset im Bereich von Verwaltung und Exekutive. Dieses Förderprogramm aus den späten 90ern würde ich auch heute gerne noch durchsetzen. Dies wäre ein wirklich positiver Aspekt, der meiner Meinung nach, noch zusätzlich zur Integration beiträgt. Was hier dann ebenfalls natürlich erwartet wird, ist ein vorhandener Integrationswille bei allen. Das Thema Parallelgesellschaften sehe ich extrem kritisch. Es muss von beiden Seiten versucht werden, Brücken zu bauen. Parallelgesellschaften nutzen am Ende des Tages niemanden. Wenn man jedoch einmal in einer Spirale „gefangen“ ist, dann geht das immer schneller in wechselseitige Ablehnung.
Brücke: Was würden Sie denn unseren austrotürkischen MitbürgerInnen gerne für die kommende Landtagswahl mit auf den Weg geben?
Schnabl: Wir sind die Partei der Chancengerechtigkeit und Chancenermöglichung für alle, wir sind die Partei die dafür kämpft, dass alle ein Stück vom Kuchen kriegen, wenn man so möchte. Demokratie und Mitbestimmung sind unsere Metaziele. Ganz konkret haben wir eine Reihe von Projekten in ganz Niederösterreich, die die Lebenssituationen der Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft in Ihren Regionen in vielen Bereichen bessern. Wir haben über 100 Projekte in Niederösterreich, wobei wir pro Bezirk 5 Leitprojekte geplant haben. Dies geht von moderneren Schulen, über eine Verkehrsverbesserung, eine Umfahrung, ein ganztätig offener Kindergarten hinaus. Wir möchten mit den Projekten dafür sorgen, dass sich alle BürgerInnen sicher und wohl in Niederösterreich aufhalten und leben können.