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Eltern, die in ihrer eigenen Kindheits- und Pubertätsphase mit einem System aufgewachsen sind, das von ihnen ohne
Hinterfragung Gehorsamkeit erwartet hat, versuchen heutzutage, als würden sie sich revanchieren wollen, genau das
Gegenteil zu machen. Den Platz der Prototyp-Eltern, die sich das Motto „Gehorche und sei in Frieden“ angeeignet hat-
ten und bei Unterdrückungen zu schweigen als „Artigkeit“ bezeichneten, wurden durch Eltern ersetzt, die versuchen all
das, was sie selber nicht ausleben konnten über, ihre eigenen Kinder aufzuholen, über das Dasein ihrer Kinder zu existie-
ren und sich darauf fokussieren „Kinder als Projekte“ zu erziehen. Diese Art der Erziehung ist vor allem unter gebildeten
und wohlhabenden Familien zu einem Trend geworden. Hierbei werden die Vorlieben, die Fertigkeiten und das Tem-
pera- ment des Kindes beinahe gar nicht berücksichtigt, und dem Kind werden bestimmte Erwartungen zugemutet. Des
Weiteren werden von diesen Kindern erwartet, dass sie sowohl Erfolg in der Schule zeigen als auch ihre künstlerischen
und sportlichen Fähigkeiten einwandfrei verbessern. Jeder einzelne Lebensabschnitt dieser Kinder wird schon vor der
Geburt geplant. Die „Supereltern“ entscheiden im Namen ihrer Kinder auf welche Schule sie gehen, mit wem sie sich
anfreunden, wann sie lernen, wann sie schlafen, wann sie essen, wie sie sich ankleiden und wann sie sich mit ihren Freun-
den verabreden. Diesen Kindern werden alle Möglichkeiten, unter anderem auch Bildung, Komfort, teure Bekleidung und
alle Art von Spielzeugen zur Verfügung gestellt. Die Kinder werden von einem Kurs zum anderen und von einer Veranstal-
tung zur nächsten auf Trab gehalten. Alles, was sich diese Kinder wünschen, werden ohne Wenn und Aber gekauft und sie
verfügen über die besten Lebenschancen. Sie sehen perfekt aus und haben eine gute Erscheinung. Da diese Eltern ihre
Pfichten gegenüber ihren Kindern „grandios“ geleistet haben, haben sie ein gutes Gewissen. Diese auch „Projektkinder“
genannten Kinder führen ihr Leben genauso wie im Aquarium lebenden Fische, die die Welt nur von außen betrachten
und widmen sich nur der Anerkennung ihrer „Supereltern“. Sie glauben wie ihre Eltern daran, dass man aus- schließlich im
Rahmen guter Möglichkeiten an Glück gelangen kann und streben dies stets an. Außerdem glauben diese Kinder auch,
dass sie von ihren Eltern nur dann geliebt werden, wenn sie ihren Erfolg aufrechterhalten (bedingte Liebe). Doch irgend-
wann verspüren sie eine große Leere in ihrer inneren Welt.
DOCH AN WAS MANGELT ES DEN KINDERN?
Diese auch „Projektkinder“ genannten Kinder widmen sich nur der Anerkennung ihrer
„Supereltern“. Sie glauben daran, dass man ausschließlich im Rahmen guter Möglichkeiten an Glück
gelangen kann. Doch irgendwann verspüren sie eine große Leere in ihrer inneren Welt.
Liebe… Bedingungslose Liebe… Ein Bedürfnis, wofür man Die Pficht der Eltern ist es nicht den Kindern ein perfektes
all sein Hab und Gut aufgeben könnte. Damit der Mensch Leben zu ermöglichen. Denn Kinder werden dadurch ge-
mit sich, mit anderen und der Welt in Frieden leben kann, fördert, wenn man ihnen die Chance gibt, sowohl die posi-
ist bedingungslose Liebe etwas äußerst Wichtiges. Es ist tiven als auch die negativen Seiten des Lebens kennenzul-
nur dann möglich andere zu lieben, wenn man sich selbst ernen, anstatt ihnen alles bereitzustellen.
wirklich liebt. Eltern sollten den Kindern übermitteln, dass das Glück da-
rin liegt, mit dem was man besitzt sich zu begnügen und
Was sind dann demnach die Pfichten der Eltern? dafür dankbar zu sein.
Den Kindern einfach die Möglichkeit geben ihre Kindheit Eltern sollten den Kindern ihr eigenes Leben ausleben las-
in Ruhe auszuleben. Sie sollen spielen, Spaß haben und sen, anstatt zu versuchen all das, was sie selber nicht er-
genug von ihrer Kindheit bekommen. Denn diese Zeiten fahren konnten, wie ein Projekt, über ihre Kinder zu reali-
werden nie erneut eintreffen. sieren. Letztendlich sind Kinder keine Projekte und die
Eltern sind nicht die Besitzer der Kinder, sondern nur deren
Mit den Kindern eine emotionale Bindung aufbauen, ihr Betreuer.
Wesen lieben, uns selber die Möglichkeit geben, so zu sein,
wie wir es wollen und den Kindern auch die Möglichkeit
geben, so zu sein, wie sie es wollen.
Auf die Veranlagungen der Kinder achten und die Kin-der
nicht von ihrem eigenen Wesen trennen. Den Kindern nicht
das Gefühl wie „Wenn du erfolgreich, feißig, brav etc. bist,
wirst du geliebt und akzeptiert.“ weitergeben. Den Kindern
eher das Gefühl weitergegeben wie „Ich lie- be dich
so wie du bist und bin überglücklich, wenn du erfolgreich,
gläubig etc. bist.“.
Den Kindern nichts gewähren, was sie nicht bedürfen. Sa-
chen, die ohne jeglichen Bedarf gewährt werden, führen
zu Verschwendungsneigungen und mit der Zeit auch zu
Unzufriedenheit. Denn das man nicht alles besitzt, fördert
wiederum die Fähigkeit mit schwierigen Situationen
umzugehen.
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