WK Wien: Briefmarkensammeln durch die Pandemie im Aufwind
WK Wien: Briefmarkensammeln durch die Pandemie im Aufwind
46 Wiener Briefmarkenhändler und 42 Philatelie-Vereine – Raritäten haben nach wie vor ihren Markt – Hobbysammlungen meist ohne Verkaufswert – Social Philatelie als Trend
Wien (OTS) – „Briefmarken sammeln und handeln boomt im Verborgenen und ist längst nicht ‚abgestempelt‘, wie viele vielleicht denken. Die Zahl der Sammler ist zwar in den letzten Jahren zurückgegangen, aber die verbleibenden sind ernsthafter und geben mehr Geld aus“, erklärt die Briefmarkenhändlerin und Branchenexpertin der Wirtschaftskammer Wien, Christine Steyrer. Die Blütezeit in den breiten Bevölkerungsschichten erlebte die Sammelleidenschaft in den 1960er und 1970er Jahren, mit Mitte der 1980er Jahre ebbte das Interesse ab – und das beliebte Hobby wurde zur Nische. Trotz angestaubtem Image ist mehr los, als man denkt: Gerade die Corona-Zeit hat das Interesse am Briefmarkensammeln wieder aufleben lassen. „Briefmarkensammeln hat etwas Entschleunigendes – das gefällt den Leuten, gerade in Zeiten der digitalen Reizüberflutung“, so Steyrer, die mit dem Trend eine Chance für ihre Branche sieht.
In Auktionshäusern, wo ausgesuchte, qualitativ hochwertige Objekte versteigert werden, geht man von bis zu 6.000 ständigen Käufern in Österreich aus. Ein weiterer Indikator sind die Abonnenten der Post, die alle neu erscheinenden österreichischen Briefmarken erhalten: Es sind mehrere Zehntausend. Natürlich sind nicht alle Abonnenten auch ernsthafte Sammler, nichtsdestotrotz ist Steyrer überzeugt: „Wer das Sammeln und Handeln von Briefmarken für tot erklärt, liegt falsch.“
Briefmarken und Briefe erzählen (Wiener) Geschichten
Wer heute Briefmarken sammelt, konzentriert sich vor allem auf Spezialgebiete, etwa Motive oder historische Zeiträume. Natürlich gibt es immer noch die traditionellen Sammler, die ihre Listen vervollständigen wollen, aber insgesamt hat sich das Hobby in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Immer mehr Briefmarkenenthusiasten interessierten sich nicht mehr nur für die Briefmarke, sondern auch für die Geschichte des Briefes, auf dem sie klebt. Für Horst Szaal, Obmann des Landesgremium Wien des Kunst-, Antiquitäten- und Briefmarkenhandels in der Wirtschaftskammer Wien liegt die Begeisterung vieler leidenschaftlicher Sammler auf der Hand: „Die Marken, Stempel, Kuverts und mit Glück darin liegende Schreiben erzählen viele Geschichten. Das sind kleine Kunstwerke, unverfälschte Zeitdokumente der Geschichte, fremder Länder und Epochen.“ Der neue Trend, der vor allem wieder jüngere Sammler begeistert, heißt ‚Social Philatelie‘.
46 aktive Wiener Briefmarkenhändler
Eine wichtige Rolle für Philatelisten spielen die Sammelkataloge, die sämtliche Briefmarken erfassen. Mithilfe der ausgeklügelten Nummerierung kann festgestellt werden, welche man hat, welche noch fehlen – und wie hoch ihr Wert ist. Neben den farbbedruckten Katalogseiten zum Durchblättern, ist in den letzten Jahren besonders die Nachfrage nach digitalen Lösungen gestiegen. „Die Philatelie ist in der digitalen Gegenwart angekommen – von der Online-Recherche, zum Kauf und Verkauf über diverse Website bis zu Crypto-Stamps“, erklärt Steyrer.
Vieles spielt sich online ab, aber nicht alles: „In Wien gibt es 46 aktive Briefmarkenhändler. Neben dem Online-Geschäft betreiben die Wiener Briefmarkenhändler auch noch Ladenlokale – oder bieten die Möglichkeit von vereinbarten Treffen, um sich vor Ort ausführlich beraten zu lassen“, so Obmann Szaal. Reges Treiben herrscht auch bei den rund 170 österreichischen Philatelie-Vereinen, 42 davon in Wien, die zu regelmäßigen Treffen laden. Auch die heimischen Auktionshäuser handeln mit Briefmarken, nehmen die Sammlung in der Regel aber meist erst ab einem Wert von etwa 1.000 Euro aufwärts in den Auktionskatalog auf.
WK Wien-Expertin Steyrer: „Die Nachfrage nach Raritäten ist weiterhin hoch“
Hochpreisiger am Markt gehandelt, sind insbesondere ungestempelte Einzelstücke, die dann aber meist in der Beschaffung auch schon ‚damals‘ recht teuer waren. Und das sind meist alte Marken mit kleiner Auflage – etwa jene Marken, die 1850 erstmals auf den Markt kamen und von denen nur wenige Exemplare erhalten sind.
Die Hoffnung der Käufer oder auch der Erben von alten Briefmarkensammlungen, es könnte sich eine Rarität in ihnen verstecken, erfüllt sich in den allermeisten Fällen nicht. „Die Wahrscheinlichkeit eines sensationellen Dachbodenfundes via Briefmarkenfundus des verstorbenen Großvaters ist leider nahezu gleich Null. Von 100 Sammlungen, die auf den Markt kommen, sind höchstens fünf bis zehn Prozent brauchbar und haben einen Wiederverkaufswert“, erklärt die Expertin. „Als Wertanlage interessante Exemplare gibt es ab einem Wert von etwa 1.000 Euro zu kaufen“, so Steyrer.
Fehldrucke: Ein genauer Blick lohnt sich
In der Regel ohne Verkaufswert sind sogenannte Hobbysammlungen: Marken in Schachteln, ungeordnete Marken in Steckalben und Alle-Welt-Sammlungen. Nur sehr, sehr geringen Wert haben postfrische Marken aus den Jahren 1960 bis 2000, gestempelte gar keinen. „Bei normalen Marken aus der jüngeren Zeit sind wirkliche Wertsteigerungen aber wohl erst frühestens – wenn überhaupt – in der Enkelgeneration zu erwarten“, so Steyrer.
Auch wenn die meisten Sammlungen wenig wert sind – Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer also beispielsweise ein Album erbt, kann als erste Orientierung eine Suche nach Handelspreisen auf Online-Plattformen starten. Wenn die eigenen Recherchen Anhaltspunkte für eine wertvollere Sammlung ergeben, empfiehlt es sich Experten einzubeziehen. Händler oder Aktionshäuser bieten oft um wenige Euro eine Einschätzung zum Wert an.
Insbesondere Fehldrucke sind gefragt: Wenn der Verdacht besteht, es könnte ein Rechtschreibfehler, Zahlendreher oder eine falsche Farbe auf einer Briefmarke verwendet worden sein, sollte genauer hingeschaut werden. Im Dezember 2022 erzielte eine neu entdeckte 3-Kreuzer-Farbfehlerdruck-Marke aus dem Jahre 1870 den höchsten jemals für eine Briefmarke erzielten Preis: 150.000 Euro. Die Rarität und Besonderheit der Marke liegt darin, dass sie durch einen Fehler in Rot statt Grün gedruckt wurde.
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