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„Universum History“-Premiere für „Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte“

„Universum History“-Premiere für „Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte“

Zum Programmschwerpunkt „75 Jahre Erklärung der Menschenrechte“ am 5. Dezember nach der „ZIB 2 History“ in ORF 2

Wien (OTS) Sigmund Freud und eine junge lesbische Wienerin, die sich nicht verbiegen lassen will, stehen im Mittelpunkt einer neuen „Universum History“-Doku zur schwul-lesbischen Geschichte: Wien 1919. Die junge Bürgerstochter Margarethe Csonka (Christina Cervenka) ist lesbisch und wird von ihren Eltern zu Sigmund Freud (Karl Markovics) geschickt. Er soll sie von ihrem „verbotenen Begehren“ einer skandalumwitterten Gräfin und Prostituierten „heilen“. Doch Gretl kämpft um ihre Liebe und führt den Psychiater an der Nase herum. Freud kommt zum Schluss, dass Homosexualität weder geheilt werden kann – noch geheilt werden muss.

Im Rahmen des ORF-Programmschwerpunkts zu „75 Jahre Erklärung der Menschenrechte“ (Details unter presse.ORF.at) zeigt die „Universum History“-Neuproduktion „Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte“ von Regisseur Fritz Kalteis am Dienstag, dem 5. Dezember 2023, um 23.05 Uhr in ORF 2, wie sich im Wien und Berlin der Zwischenkriegszeit erstmals queeres Selbstbewusstsein entfaltet – nur um bald darauf von den Nazis brutal zerstört zu werden. „Die queere Kultur ist genau hier erfunden worden“, sagt Robert Beachy von der Yonsei Universität Seoul, einer der hochkarätigen Experten des Projekts, „aber hier gab es auch die bis heute schlimmsten Verfolgungen.“
„Queere Geschichte ist Teil der österreichischen Geschichte. Sie ist voll von hart erkämpften Errungenschaften und niederschmetternden Rückschlägen. Ohne die Pionierinnen und Pioniere der ersten Stunde wäre die gegenwärtige Gesellschaft eine andere – ‚Universum History‘ wirft mit dieser großangelegten Koproduktion ein Schlaglicht auf den Mut jener Vorreiter:innen und ihren unermüdlichen Kampf für Gerechtigkeit“, so Caroline Haidacher, ORF-Sendungsverantwortliche „Universum History“.

100 Jahre queere Geschichte

Im Spannungsfeld von Repression und Aufbruchsstimmung kämpfen Aktivistinnen und Aktivisten wie Magnus Hirschfeld Anfang des 20. Jahrhunderts um Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und gegen Verbote gleichgeschlechtlicher Sexualität. Doch mit der Machtübernahme Adolf Hitlers endet die Illusion der Freiheit. Der NS-Staat verfolgt vor allem schwule Männer, aber auch lesbische Frauen, steckt sie ins KZ, kastriert oder ermordet sie. Gretl Csonka gelingt die Flucht – in ein Leben, in dem sie sich nie wieder die Freiheit nehmen lassen wird zu lieben, wen sie will.

Verfolgung, Stigmatisierung und Aufbruch

Anfang des 20. Jahrhunderts droht homosexuellen Menschen in Österreich bis zu fünf Jahre Kerker. Im Gegensatz zu Deutschland gilt das für Frauen ebenso wie für Männer. Gretl Csonkas Familie ist reich, es geht vor allem darum, einen Skandal zu vermeiden. „Wenn die Homosexualität von Gretl öffentlich geworden wäre, hätte das schwerwiegende soziale Folgen gehabt“, sagt Andreas Brunner von QWIEN, dem Zentrum für queere Geschichte in Wien. Freud, dargestellt von Karl Markovics, ist zunächst skeptisch. Für ihn ist Homosexualität auch nur „ein Malheur wie jedes andere“. Doch die Neugierde drängt ihn schließlich doch, sich des Falls der Gretl Csonka anzunehmen.
In Berlin eröffnet im Juli 1919 der Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld das Institut für Sexualwissenschaften. Es ist die erste Beratungs- und Anlaufstelle für Menschen jeglicher sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität – aber auch eine bunte WG von Homosexuellen und Transpersonen. Hirschfeld wird so zum Vorreiter:
„Das Spannende ist ja, dass nicht unsere Gegenwart in den letzten fünf oder zehn Jahren eine Vielfalt an Geschlechtern und sexuellen Orientierungen ‚erfunden‘ hat. Es gibt eine historische Phase vom späten 19. Jahrhundert bis in die Zwanzigerjahre, in der neue Begriffe und Blickwinkel was völlig Neues eröffnen gegenüber einer simplen binären, also zweiteiligen geschlechtlichen Logik“, sagt die österreichische Soziologin und Historikerin Hanna Hacker. Regisseur Fritz Kalteis pflichtet bei: „Die Diskussion um Queerness und Transidentität ist keineswegs die vermeintlich ‚woke Agenda‘, als die sie gegenwärtig oft verunglimpft wird. Das Thema begleitet uns als Menschen schon immer. Nicht zuletzt darauf wollen wir mit diesem Film hinweisen.“

Die erste queere Hymne – neu interpretiert

Der Kinofilm „Anders als die Anderen“ des Wiener Regisseurs Richard Oswald thematisiert schon 1919 erstmals Homosexualität ganz offen – und wird prompt zum Skandal. Der Film inspiriert ein Lied, das zur ersten Hymne der queeren Bewegung wird: Das „Lila Lied“. Mehr als 100 Jahre später nimmt es die bayrisch-österreichische Musikerin Ankathie Koi für diese Dokumentation neu auf, denn der Song ist nicht nur für sie relevant wie eh und je: „Im Refrain heißt es ja ,Wir sind, wir sind nun einmal mal anders als die andern‘, und ich glaube, dass der Song so vielen Menschen ein Zuhause gibt, die anders sind und diese Andersartigkeit auch zelebrieren“, so Ankathie Koi, die die 100 Jahre alte Melodie in einen modernen Dance-Track verwandelt hat.

Kurze Phase der Hoffnung auf mehr Freiheit und Toleranz für queere Menschen endet abrupt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten

Gretl Csonka kämpft um ihre Liebe zu Leonie von Puttkamer (gespielt von Elena Wolff) – auch wenn das bedeutet, Sigmund Freud mit erfundenen Traumgeschichten an der Nase herumzuführen. Mit Erfolg: In der Konfrontation mit Gretl kommt Freud schließlich zum Schluss, dass Homosexualität nicht geheilt werden kann und erst recht nicht geheilt werden muss, ergänzt Daniela Finzi, wissenschaftliche Leiterin am Sigmund-Freud-Museum in Wien: „Homosexualität ist keine Krankheit, keine Pathologie für Freud. Es ist nur dann sinnvoll, sich analytisch damit auseinanderzusetzen, wenn es einen Leidensdruck gibt.“ Die kurze Phase der Hoffnung auf mehr Freiheit und Toleranz für alle queeren Menschen endet abrupt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. 1934 lässt Adolf Hitler SA-Chef Ernst Röhm ermorden – und damit den prominentesten homosexuellen Nazi. Es ist ein Wendepunkt: Von nun an verfolgt der NS-Staat vor allem schwule Männer, aber auch lesbische Frauen intensiver als je zuvor. Gretl Csonka, selbst jüdisch-stämmig und lesbisch, gelingt im allerletzten Moment die Flucht aus Wien – in ein Leben, in dem sie sich nie wieder die Freiheit nehmen lassen wird, zu lieben, wen sie will.

„Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte“ entstand als Koproduktion von Vienna Set und Feature Film mit ORF und ZDF/ARTE in Zusammenarbeit mit ORF Enterprise, gefördert von Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien und Kultur Niederösterreich.

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