Politik

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 10. November 2023. Von Anita Heubacher: „Höchste Zeit für einen Migrationsgipfel“.

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 10. November 2023. Von Anita Heubacher: „Höchste Zeit für einen Migrationsgipfel“.

Innsbruck (OTS) Die Einwanderungspolitik der letzten Jahre hat Österreich und Deutschland eine Verschiebung auf der politischen Parteienlandkarte gebracht. Deutschland hat reagiert, Österreich streitet, ob hohe Sozialleistungen Flüchtlinge anziehen.

Mitten in der Nacht hat der deutsche Bundeskanzler, der Sozialdemokrat Olaf Scholz, diese Woche Verschärfungen in der deutschen Asyl- und Einwanderungspolitik verkündet. Getrieben von den Wahlerfolgen der AfD beschlossen der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten nach einem 17-stündigen Migrationsgipfel, dass Leistungen für Asylwerber eingeschränkt werden sollen.
In Österreich hatten ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab und ÖVP-Parteichef Karl Nehammer im Sommer eine schärfere Gangart in der Migrationspolitik vorgeschlagen. Für die ÖVP unter Sebastian Kurz war das das Mittel, der FPÖ WählerInnen abzutrotzen. Im Sommer sahen die politische Konkurrenz, aber auch der Koalitionspartner, die Grünen, daher ein Wahlkampfgeplänkel. Mehr nicht. Folgerichtig wird in Österreich noch immer darüber diskutiert, ob hohe Sozialleistungen denn tatsächlich mehr Flüchtlinge ins Land bringen. Diese Frage hat Deutschland jetzt und haben Italien und Dänemark bereits seit Längerem mit „Ja“ beantwortet und reagiert.
Die EU braucht ein einheitliches Asylsys­tem. Das ist der hehre Ansatz. Aber bis es so weit ist, würde Österreich ein Migrationsgipfel guttun. Ohne Frage wird es darum gehen müssen, Menschen in Not zu helfen. Ohne Frage wird man es schaffen müssen, eine Regelung zustande zu bringen, die auch rechtlich standhält. Und ohne Frage muss in der Einwanderungspolitik etwas geschehen. Denn der politische Diskurs, der sich immer noch entlang der Parteilinien bewegt, wird von der Realität schon längst überholt. Die Bevölkerung ist besorgt, ohne dass man allen in Bausch und Bogen Ausländerfeindlichkeit vorwerfen muss. Zu lange hat man darüber hinweggesehen und die Problemlage wohl oft auch in einer medialen Mehrheitsmeinung schöngeredet.
Sozialleistungen spielen bei der Wahl des Zufluchtsortes zumindest eine sehr tragende Rolle. Wer das negiert, gerät in den Verdacht, naiv zu sein. Anhand der Zahlen lässt sich die Annahme bestätigen. Österreichweit wird Sozialhilfe mehrheitlich von Nicht-Österreichern in Anspruch genommen. Das war einmal anders und hat sich unter anderem durch die Flüchtlingswelle 2015 verkehrt.
Am Ende eines Migrationsgipfels sollte eine Neugestaltung der Sozialleistungen stehen. Darin sollte sich eine neue Zuwanderungspolitik widerspiegeln. Zielgerichteter sollte beides sein. Das wäre die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Miteinander. Wie sehr dies auf dem Prüfstand steht, sehen wir seit dem Ausbruch des Nahost-Konflikts beinahe täglich.

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