Politik

EU-Unterausschuss befasst sich mit Erweiterungspolitik

EU-Unterausschuss befasst sich mit Erweiterungspolitik

Debatten auch zu den Verfahren zu Polen und Ungarn sowie zur Strategie der EU gegen Antisemitismus

Wien (PK) Der EU-Unterausschuss befasste sich heute mit einer Mitteilung der Kommission über die Erweiterungspolitik der EU. Auf der Tagesordnung standen weiters ein Ratsdokument zu den derzeit laufenden Verfahren zu Polen und Ungarn sowie die Mitteilung der Kommission zur Strategie der EU zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021 – 2030).

Debatte zur Erweiterungspolitik der Europäischen Union

Das im Oktober 2022 veröffentlichte Erweiterungspaket 2022 beurteilt die Fortschritte im EU-Integrationsprozess der sechs Westbalkanstaaten und der Türkei. Das Paket steht im geopolitischen Kontext des russischen Aggressionskrieges in der Ukraine und betont die Rolle der EU-Erweiterungspolitik als geostrategische Investition in Frieden, Stabilität und Sicherheit in Europa.

Gestern legte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Erweiterungspolitik vor, in dem sie den Start von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Moldau vorschlägt. Sie werde den Bericht im Detail prüfen, sagte Bundesministerin Karoline Edtstadler und betonte, dass es jedenfalls kein „Fast-Track-Procedure“ geben werde. Die Erweiterung sei wichtig für die Sicherheit der EU. Der Beitrittsprozess der Westbalkanländer solle daher mit Nachdruck vorangetrieben und beschleunigt werden, denn der Westbalkan dürfe nicht anderen Akteuren überlassen werden. Österreich werde sich für die Westbalkanländer weiterhin einsetzen, vor allem für Bosnien und Herzegowina, so Edtstadler. Sie befürworte einen „graduellen Prozess“ bei der Integration. Damit sei gemeint, dass die Staaten Incentives erhalten sollen, wie beispielsweise die Teilnahme am Programm Erasmus+ oder die Teilnahme an informellen Treffen, sobald sie bestimmte Bereiche im Aufnahmeprozess abgeschlossen haben.

Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) fragte, wie bei der Bevölkerung das Vertrauen in die Europäische Union sowie das Verständnis für die Erweiterung gestärkt werden könne und welche Reformen der Europäischen Union es brauchen werde. Edtstadler sagte, dass dies in der Verantwortung aller liege und die Weiterentwicklung der Union parallel zum Erweiterungsprozess erfolgen müsse.

Ob der Vorschlag der Europäischen Kommission für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine für sie überraschend gekommen sei, wollte Jörg Leichtfried (SPÖ) von Bundesministerin Edtstadler wissen. Er stellte zudem die Frage nach der Aufnahmefähigkeit der EU. Die Ukraine habe ein großes Agrarsystem und dies würde sich stark auf das Agrarsubventionssystem der EU auswirken. Eine große Überraschung sei dieser Vorschlag der Kommission für sie nicht gewesen, antwortete Edtstadler und betonte, dass die Kriterien für eine Aufnahme erfüllt werden müssen, es könnten nicht zwei Klassen von Erweiterungskandidaten geschaffen werden. Ein Beitritt der Ukraine werde bei bestem Willen nicht in ganz kurzer Zeit bewältigbar sein. Die Ukraine sei jedoch sehr ehrgeizig und tue alles, um sich tiefgreifend zu reformieren, so Edtstadler. Dieses Momentum müsse genutzt werden, um auch den Westbalkan zu motivieren.

Er habe ernsthafte Zweifel, ob sich die EU selbst noch ernst nehme, sagte Axel Kassegger (FPÖ) mit Verweis auf die Kopenhagener Kriterien für Beitrittskandidaten und brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien einzufordern und sich „gegen eine EU-Erweiterung von Staaten auszusprechen, welche diesen Auflagen mitnichten gerecht werden“. Dies betreffe sämtliche aktuelle EU-Beitrittskandidaten. Des Weiteren forderte die FPÖ die Bundesregierung auf, sich gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Staaten auszusprechen, welche sich in einem Krieg befinden und sich auf europäischer Ebene „vorbehaltlos für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips einzusetzen“. Der Antrag blieb mit den Stimmen der FPÖ in der Minderheit und wurde damit abgelehnt.

Michel Reimon (Grüne) wollte von der Europaministerin wissen, welche Änderungen bei den europäischen Institutionen ihrer Meinung nach in Zukunft nötig sein werden. Edtstadler sagte, dass die Union die Frage „wie wir uns anders aufstellen“, in den nächsten Jahren massiv beschäftigen werde.

Nikolaus Scherak (NEOS) fragte nach der Geschwindigkeit der Beitrittsprozesse und wie man damit umgehen wolle, wenn der Beitritt für die Ukraine rascher erfolge, als für andere derzeitige Beitrittsländer. Edtstadler sagte, dass mögliche Incentives im Beitrittsprozess natürlich für jedes Land gelten müssen. Es hänge nicht davon ab, wann der Beginn der Beitrittsverhandlungen war, sondern davon, wann ein Kandidat alle Kriterien für einen Beitritt erfülle.

Christian Oxonitsch (SPÖ) fragte Edtstadler, wie sie den Asyldeal von Italien mit Albanien einschätze. Der Dialog mit Drittstaaten sei wichtig, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sei es gelungen, mit einem Drittstaat eine Partnerschaft einzugehen, so Edtstadler.

Laufende Verfahren zu Polen und Ungarn

Zu Polen und Ungarn laufen seit mehreren Jahren Verfahren nach Artikel 7 zum Schutz der Grundwerte der EU. Ein aktueller Sachstandsbericht zu diesen Verfahren unter spanischem Ratsvorsitz ist kommende Woche im Rat Allgemeine Angelegenheiten geplant. Der Rat wird dabei die Entwicklungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in Polen und die Grundwerte der EU in Ungarn erörtern.

Rechtsstaatlichkeit sei ein fundamentales Grundprinzip, dies gelte für die Europäische Union sowie Beitrittskandidaten, betonte Edtstadler. Die Verfahren nach Artikel 7 würden jedoch nicht zu dem führen, was intendiert sei, sondern eher „zu Minustemperaturen im Raum“, da sich die betroffenen Staaten „gegen die Wand gedrückt“ fühlten, so Edtstadler. Zielführender sei der Konditionalitätsmechanismus, der das Einfrieren von Geldern vorsieht. Dies bewirke, dass Änderungen passieren, so Edtstadler.

Rudolf Taschner (ÖVP) betonte, dass Rechtsstaatlichkeit zu den Grundwerten der Union zähle und fragte, wie die Einhaltung im Erweiterungsprozess berücksichtigt werde. Edtstadler unterstrich, dass die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit eine fundamentale Grundvoraussetzung für den EU-Beitritt sei.

Der ungarische Ratsvorsitz stehe vor der Tür, erinnerte Jörg Leichtfried (SPÖ). Er fragte Edtstadler, ob sie Ungarn zutraue, als Vorsitzland als Mittler der Rechtsstaatlichkeit in der EU zu wirken. Es sei rechtlich nicht möglich, jemand von einem Vorsitz auszuschließen und es wäre auch politisch nicht gescheit, sagte Edtstadler. Der Ratsvorsitz nehme das jeweilige Vorsitzland in die Pflicht, bisher hatte jedes Vorsitzland ehrgeizige Ziele und habe sich dafür eingesetzt, etwas voranzubringen. Das aktive Einbinden habe positive Auswirkungen, so Edtstadler.

Rechtsstaatlichkeit zeige sich in mehreren Gesichtern, sagte Martin Graf (FPÖ). Er habe das Gefühl, dass Rechtsstaatlichkeit politisch ausgelegt werde und legte dar, dass seiner Meinung nach die Kritik an Ungarn nicht gerechtfertigt sei.

Michel Reimon (Grüne) fragte nach der Einbindung des Europäischen Parlaments bei Artikel-7-Verfahren und fragte, wie sich der Wahlausgang in Polen auf das Verfahren zu Polen auswirke. Es finde in diesem Zusammenhang ein Austausch mit dem Europäischen Parlament statt, sagte Edtstadler. Im Hinblick auf den Wahlausgang in Polen sei es noch zu früh, um Schlüsse zu ziehen. Sie hoffe, dass es schnell gehe, dass in Polen eine stabile Regierung gebildet werde. Polen sei ein enorm wichtiges Land, nicht nur aufgrund der Größe und der geografischen Lage, sondern auch im Hinblick auf die Wirtschaftskraft, die sich dort entwickle.

Mit dem Wahlergebnis in Polen tue sich ein Fenster auf, sagte Nikolaus Scherak (NEOS). Er halte es für sinnvoll, das Artikel-7-Verfahren weiter durchzuführen, um die Wirkung dieses Instruments zu zeigen.

Strategie der EU zur Bekämpfung von Antisemitismus

Die Europäische Kommission stellte im Oktober 2021 eine Strategie gegen Antisemitismus vor, deren Umsetzung sich über den Zeitraum von 2021 bis 2030 erstreckt. Die nationalen Strategien gegen Antisemitismus sollten bis Ende 2022 festgelegt werden, bis dato haben 18 Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, gesamtheitliche Strategien oder zumindest Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus in ihren Aktionsplänen oder Strategien zur Bekämpfung von Rassismus verabschiedet. In den Jahren 2024 und 2029 will die Europäische Union dazu umfassende Umsetzungsberichte veröffentlichen.

„Seit den schrecklichen Ereignissen vom 7. Oktober erleben wir abermals eine signifikante Zunahme antisemitischer Vorfälle“, sagte Edtstadler. Sie habe sich niemals vorstellen können, dass es wieder zu einer solchen Situation, wie wir sie jetzt erleben, kommen würde. Die Bundesregierung hat daher eine Gesetzesvorlage zur Verschärfung des Verbotsgesetzes eingebracht. Doch selbst das strengste Gesetz werde nicht greifen, wenn nicht die Bevölkerung gegen Antisemitismus aufstehe, so Edtstadler. Österreich sei das erste Land, das eine Strategie gegen Antisemitismus festgeschrieben habe, die Strategie der Europäischen Union sei sehr wichtig.

Martin Engelberg (ÖVP) betonte, dass alle Formen von Antisemitismus bekämpft werden müssen und stellte die Frage, welche Maßnahmen man dabei besonders in den Fokus nehmen solle. Edtstadler sagte, dass die gesamte Gesellschaft gegen Antisemitismus aufstehen müsse. Die Strategie gegen Antisemitismus wirke, man dürfe sich jedoch kein Wundermittel erwarten.

Wenn sich Jüd:innen in Österreich fürchten müssen, sei dies eine Schande für unser Land, betonte Jörg Leichtfried (SPÖ). Antisemitismus müsse man mit allen Mitteln bekämpfen. Besonders die Schulen seien dabei gefordert.

Auch Eva Blimlinger (Grüne) betonte die Bedeutung des Bildungsbereichs, wies jedoch darauf hin, dass gerade Schulen und Universitäten jüngst zu Brennpunkten im Hinblick auf antisemitische Vorfälle geworden seien. Zudem warf sie die Frage danach auf, auf europäischer Ebene den Status von Flüchtlingen aus der Ukraine und Israel gleichzustellen.

Mario Lindner (SPÖ) sagte, dass es Antisemitismus in Österreich seit Jahrzehnten gebe und er das Fehlen einer Gesamtstrategie gegen Wiederbetätigung und Hassverbrechen sehe.

Mit Strafverschärfungen werde man nicht ernsthaft etwas bewirken, meinte Nikolaus Scherak (NEOS), die dahinterliegenden Phänomene seien Hass und Demokratiefeindlichkeit. Es gebe seit Jahrzehnten Versäumnisse, diese Phänomene insbesondere im Rahmen der Integrationsmaßnahmen zu bekämpfen.

Er tue sich schwer damit, wenn gesagt wird, dass Ausländer:innen Antisemitismus ins Land bringen, denn Antisemitismus sei mit der österreichischen Kultur dicht verwoben, sagte Lukas Hammer (Grüne). Österreich habe lange gebraucht, sich der eigenen Verantwortung zu stellen und habe als Gesellschaft lange weggeschaut. Er warne davor, die Verantwortung abzuschieben und so zu tun, als ob der Antisemitismus in Österreich „importiert“ wurde.

Wenn Jüd:innen unter Druck sind, sind wir alle unter Druck, sagte Edtstadler. Zur Bekämpfung von Antisemitismus sei der Bildungsbereich selbstverständlich wichtig, daher habe das Bildungsministerium Unterrichtsmaterialien zum Nahost-Konflikt zur Verfügung gestellt. Zudem werden Workshops durch die Polizei in Schulen zur Extremismusbekämpfung abgehalten.

Martin Engelberg (ÖVP) meinte, dass die Schule die „entscheidende Front“ in der Gesellschaft sei und forderte Empowerment für Lehrer:innen. Diese bräuchten Unterstützung, wenn sich Schüler:innen vollkommen respektlos verhalten und Eltern das Fehlverhalten ihrer Kinder auch noch unterstützen würden.

Eva Blimlinger (Grüne) erinnerte daran, dass Antisemitismus nicht allein eine Frage der Bildung sei, da führende Nationalsozialist:innen hochgebildet gewesen seien. Wissen allein genüge nicht, meinte dazu Rudolf Taschner (ÖVP), es gehe vor allem um Gewissensbildung. Wichtig sei es, ein Gewissen zu haben. (Schluss EU-Unterausschuss) bea

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