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Kinderliga zum Tag der psychischen Gesundheit: Wohnort darf nicht über die Verfügbarkeit von psychosozialen Angeboten entscheiden

Eine, von der Kinderliga auf Basis einer österreichweiten Erhebung erstellte, Versorgungslandkarte zeigt geografisch große Unterschiede im Zugang zu psychosozialen Angeboten.

Wien (OTS) – Eine Verschlechterung der psychischen Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen durch die COVID-19 Pandemie, die Unterversorgung im psychosozialen Bereich (Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie) durch lückenhafte Versorgungsstrukturen und fehlende Kostenübernahme durch die Krankenkassen im niedergelassenen Bereich und bei Behandlung durch klinische Psychologie einerseits, aber auch das zunehmende politische und soziale Bewusstsein in Bezug auf die Relevanz von psychischer Kinder- und Jugendgesundheit andererseits, waren die Ausgangslage für ein Projekt der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) zur Versorgungslandschaft und Chancengerechtigkeit im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich, das mit der pro bono Unterstützung der Boston Consulting Group im Laufe des Jahres 2022 durchgeführt wurde.

Fazit des Projekts „Chancengerechte Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Österreich“: Es zeigen sich regional zum Teil sehr große Unterschiede in der Verteilung der Versorgungsangebote. „Die Kinderligaumfrage und -erhebung zeigt deutlich, dass Kinder und Jugendliche nicht die gleichen Chancen auf psychosoziale Versorgung in Österreich haben. Hier muss im Sinne der Chancengerechtigkeit und Versorgungssicherheit von gesundheitspolitischer Seite rasch gehandelt werden“, sagt Dr.in Caroline Culen, Geschäftsführerin der Kinderliga. Psychosoziale Angebote wie u.a. „ABC der psychosozialen Gesundheit junger Menschen“ und „TOPSY – Toolbox psychische Gesundheit“ sieht Culen positiv und als eine wichtige Reaktion auf die zunehmende psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen in Österreich. Genauso wichtig wie Präventionsangebote ist die Verbesserung des Zugangs zu niederschwelligen psychosozialen Angeboten in ganz Österreich, wie z.B. „Gesund aus der Krise“, unabhängig vom Wohnort. Neben den oft zitierten Engpässen im ambulanten oder stationären Bereich orten die Expert:innen der Kinderliga erhebliche Defizite auch im niedergelassenen Bereich.

Psychotherapie: es braucht 35% mehr verrechenbare Stunden

Im Jahr 2020 befanden sich ca. 38.800 Kinder und Jugendliche in psychotherapeutischer Behandlung. Über die Bundesländer hinweg wurden im Jahr 2020 durchschnittlich 233,3 Stunden Psychotherapie pro 1.000 Kinder und Jugendliche im niedergelassenen Bereich mit der ÖGK abgerechnet. Dies entspricht ca. 296.700 Stunden insgesamt. Allerdings sind die abgerechneten Stunden in Österreich sehr ungleich verteilt, mit den meisten abgerechneten Stunden in Niederösterreich (746,7 Stunden pro 1000 Kinder in Krems an der Donau) und sehr wenig verrechneten Stunden in Salzburg Umgebung oder in Oberösterreich (Bezirk Schärding) mit 45 verrechneten Stunden pro 1000 Kinder und Jugendliche. Die durchschnittliche Wartezeit lag zum Zeitpunkt der Umfrage bei rund 4 Monaten. In einer Umfrage unter mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Psychotherapeut:innen ergab, dass die verrechneten Stunden um durchschnittlich 35% bzw. ca. 107.100 Stunden erhöht werden müssten, um den wahrgenommenen Bedarf zu decken.

Psychologie: Diagnostik fehlen 53.200 verrechenbare Stunden jährlich

Die in der psychologischen Diagnostik jährlich durchschnittlich verrechneten 116,9 ÖGK-Stunden pro 1.000 Kinder und Jugendliche entsprechen ca. 145.200 Stunden insgesamt.

Die höchste Zahl an abgerechneten Stunden finden sich in Villach-Stadt (291,7) und Villach-Land(253,3)sowie in Hermagor (231,5), Kärnten), die niedrigste Zahl in der Südoststeiermark mit 16,4 abgerechneten Stunden pro 1000 Kinder. Im Jahr 2020 haben ca. 40.800 Kinder und Jugendliche psychologische Diagnostik in Anspruch genommen. Die Wartezeit betrug laut Kinderliga-Umfrag unter Psycholog:innen durchschnittlich 3,4 Monate. Um den darüber hinaus gehenden Bedarf zu decken, müssten die aktuell verrechneten Stunden um durchschnittlich 38% bzw. ca. 53.200 Stunden erhöht werden.

Kinder- und Jugendpsychiatrie vom Versorgungsziel des Österreichischen Strukturplan Gesundheit weit entfernt

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist nach wie vor ein Mangelfach. „Auch in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung sind wir vom, im Strukturplan Gesundheit definierten, Versorgungsziel weit entfernt“, erklärt Prim. Dr. Christian Kienbacher, Vorstandsmitglied der Kinderliga und ärztlicher Leiter des Ambulatoriums für Kinder- und Jugendpsychiatrie Wien Floridsdorf. Neben der Aufstockung an intra- und extramuralen Kapazitäten von psychosozialen Angeboten sieht Kienbacher eine wichtige Säule in der Prävention. Hier könnten Ansprechpartner:innen in den Schulen, wie etwa Schulpsycholog:innen und Schoolnurses als niederschwellige Anlaufstelle, eine wichtige Aufgabe zukommen. „Oberstes Ziel muss es sein, dass Kinder und Jugendliche psychisch gesund bleiben“, so Kienbacher.

Appell der Expert*innen der Kinderliga: Ausgaben für Kindergesundheit erhöhen – In die Zukunft von Kindern investieren

Gesundheitsfördernde Maßnahmen, besonders auch im Bereich der psychosozialen Gesundheit, bereits in der frühen Kindheit haben positive Auswirkungen auf gesundes Aufwachsen und die Lebensqualität für die gesamte Lebensspanne. „Mehr Geld in die Hand zu nehmen und mehr Angebote zu schaffen, sowohl im Bereich der Gesundheitsversorgung als auch der Prävention, lohnt sich auch aus volkswirtschaftlicher Sicht, um die Folgekosten von Gesundheitsproblematiken für Kinder und Familien selbst, aber auch für Gesundheits- und Sozialsysteme, zu begrenzen,“ sagt Dr. Christoph Hackspiel, Präsident der Kinderliga.

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