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EU-Botschafter Selmayr wechselt in die Wissenschaft

EU-Botschafter Selmayr wechselt in die Wissenschaft

Martin Selmayr wird ab 1. Februar Gastprofessor an der Universität Wien. Als EU-Botschafter hat er in Österreich vier Jahre landauf, landab das Gespräch zu Europa gesucht.

Wien (OTS) Martin Selmayr, seit November 2019 Botschafter der Europäischen Kommission in Österreich, wird ab 1. Februar eine Gastprofessur für Europarecht am Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien übernehmen. Für ein halbes Jahr wird er dort vor allem zu Fragen des EU-Digitalisierungsrechts und des EU-Nachhaltigkeitsrechts in Forschung und Lehre tätig sein.

„Ich freue mich sehr darauf, gemeinsam mit den exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Wien zu den aktuellsten Fragen des Europarechts forschen und lehren zu dürfen“, sagt Selmayr, der bereits an der Universität Saarbrücken und an der Donau-Universität in Krems Europarecht lehrt, seit 2022 ehrenamtlicher Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Europarecht an der Universität Passau ist und nun reichhaltige Erfahrung aus der EU-Praxis an die Universität mitbringt. „Von der Datenschutz-Grundverordnung bis zum AI Act, vom neuen Emissionshandelssystem bis zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus: Viele der in den letzten Jahren auf EU-Ebene beschlossenen Gesetze brauchen jetzt eine fundierte wissenschaftliche Analyse und Erläuterung“, so Selmayr. Das Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien steht unter Leitung von Professor Dr. Nikolaus Forgó.

Botschafter in herausfordernden Zeiten

Mit dem Wechsel in die Wissenschaft endet nach vier Jahren Selmayrs Tätigkeit als Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich. In Selmayrs Mandatsperiode fiel die Covid-Pandemie, der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die folgende Krise der Energiepreise. Zugleich erlebte Selmayr vier Bundeskanzler.

„Es waren herausfordernde Zeiten für Österreich und Europa“, zieht Selmayr Bilanz. „Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, immer wieder das Gespräch zu suchen, auf die Sorgen der Menschen einzugehen, mit Fakten zu erklären und das Vertrauen in unsere Demokratie und die Zusammenarbeit im gemeinsamen Europa zu stärken. Mir war es dabei ein besonderes Anliegen, regelmäßig in allen Bundesländern unterwegs und in den Städten und Gemeinden präsent zu sein. Dabei habe ich viel über Österreich, seine eindrucksvolle Vielfalt und seine sympathische Bevölkerung lernen dürfen.“

Selmayr warb in den vergangenen vier Jahren unermüdlich für mehr Zusammenhalt in Europa: „Alle EU-Staaten sind aus globaler Perspektive kleine Staaten. Nur gemeinsam können wir deshalb die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen, ob Klimawandel, Migration oder die Bewahrung der Sicherheits- und Friedensordnung unseres Kontinents“, so Selmayr, der sich während der Pandemie für das gemeinsame EU-Aufbauprogramm NextGenerationEU engagiert hatte, um in der EU Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen zu stabilisieren. Aus dem EU-Programm wird in Österreich u. a. der Ausbau der Koralmbahn finanziert.

Fest an der Seite der Ukraine

Die Solidarität mit der Ukraine nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands am 24. Februar 2022 war Selmayr ein besonderes Anliegen: „Die Ukraine gehört zur europäischen Familie, und es ist ein wichtiges Signal, dass die EU-Staaten mit Unterstützung Österreichs beschlossen haben, nun mit der Ukraine die Beitrittsverhandlungen zu eröffnen. Die Menschen in der Ukraine verteidigen heute unsere europäischen Werte und unsere auf dem Völkerrecht beruhende Friedens-, Freiheits- und Sicherheitsordnung. Wir sollten daher alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, um der Ukraine dabei zu helfen, ihren Verteidigungskrieg gegen Russland so schnell wie möglich zu gewinnen.“

„Wir alle sind Europa!“

Selmayrs erklärtes Ziel war es, zu vermitteln, dass alle europäischen Entscheidungen stets unter Mitwirkung österreichischer Minister sowie der in Österreich direkt gewählten EU-Abgeordneten getroffen werden. „Wir alle sind Europa! Das betonte sehr zu Recht bereits Alois Mock“, so Selmayr, dem 2020 in Perchtoldsdorf der Alois-Mock-Europapreis verliehen wurde.

Selmayr äußerte sich immer wieder positiv über Österreich, vor allem über die fortgeschrittene Digitalisierung, die starke Forschungslandschaft, die Leistungsfähigkeit der ÖBB und ihrer Nachtzüge sowie umweltfreundliche Innovationen wie das Klimaticket. „Österreich ist viel besser als es manchmal selbst glaubt“, so Selmayrs Credo. Der EU-Botschafter zeigte allerdings auch auf, wenn in der öffentlichen Debatte die EU zu Unrecht als Sündenbock missbraucht wurde. So wies er 2021 Kritik an der (von Österreich mitbeschlossenen) Impfstoffbeschaffung zurück und stellte im Sommer 2023 klar, dass das Bargeld durch die EU-Verträge geschützt werde und daher nicht abgeschafft werden könne. Eindeutige Worte fand der EU-Botschafter auch, als es in Zeiten der coronabedingten Einschränkungen hieß, die EU würde das Skifahren in Österreich verbieten. „Die EU hat keine Skifahr-Kompetenz“, ließ Selmayr wissen. „Unsere Aufgabe ist es, zu kommunizieren, was die EU tut. Aber angesichts der Zunahme von Falschmeldungen und Desinformation ist es ebenso wichtig, klar zu sagen, wofür die EU nicht verantwortlich ist.“

Den auch nach dem russischen Angriffskrieg fortgesetzten Kauf von russischem Gas kritisierte Selmayr, auch wenn er dabei keineswegs nur Österreich in den Blick nahm: „Ich habe Verständnis, dass es etwas dauert, bis die Energieversorgung neu aufgestellt ist“, so Selmayr. „Doch jeder Kubikmeter Gas, der heute noch aus Russland fließt, macht uns weiter abhängig vom Autokraten Putin. Und hilft ihm, seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu finanzieren. Je schneller wir aus dem russischen Gas aussteigen, umso besser.“

Radtouren und Gipfelgespräche in allen Bundesländern

Während der Corona-Pandemie organisierte der EU-Botschafter mehr als 100 Online-Debatten zu europäischen Themen. 2021 radelte Selmayr zwischen Neusiedler- und Bodensee 1900 Kilometer, um mehr als 650 Gespräche zu führen. Begleitet wurde er dabei von Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, und den regionalen Europe-Direct-Zentren. 2023 folgte dann die EU-Gipfeltour: Selmayr und Schmidt gingen bei Bergwanderungen in allen Bundesländern zusammen mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern und vielen Bürgermeistern und EU-Gemeinderäten aktuellen EU-Fragen nach, vom Dobratsch in Kärnten über den Schöckl in der Steiermark bis zur Gratlspitze in Tirol. Mehrfach veranstaltete Selmayr „EU Policy Retreats“ mit Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, so zum Thema „Grüne Finanzen“ in Schwarzenberg im Bregenzerwald und zum US Inflation Reduction Act auf Burg Schlaining 2023. Im Wiener Haus der EU lud Selmayr regelmäßig zum EU-Kultursalon, bei dem u. a. der Schriftsteller Robert Menasse und der Schauspieler Harald Krassnitzer über Europa diskutierten.

Ranghöchster EU-Kommissionsvertreter in Österreich seit dem EU-Beitritt

Selmayr, der im Herbst eine neue europäische Aufgabe übernehmen wird, war 2019 vom damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zum EU-Botschafter in Österreich ernannt worden. Juncker, der Österreich und seinen Bundesländern stets eng verbunden war, hatte mit seinem früheren Kabinettchef und Generalsekretär der Europäischen Kommission den bisher ranghöchsten EU-Kommissionsvertreter seit dem EU-Beitritt Österreichs nach Wien entsandt. Für die kommenden Monate übernimmt nun Wolfgang Bogensberger, Selmayrs langjähriger Stellvertreter, geschäftsführend die Leitung der Kommissionsvertretung.

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