Wirtschaft

Umfrage unter Studierenden am Juridicum: Grundsätzlich zufrieden, Praxisbezug ausbaufähig

Umfrage unter Studierenden am Juridicum: Grundsätzlich zufrieden, Praxisbezug ausbaufähig

Vienna Law Students Monitor von l & m und FV Jus zeigt deutliche Geschlechter-Unterschiede bei erwarteten Einstiegsgehältern und Berufswünschen

Wien (OTS) Gestern Abend (Mittwoch 8.11.) präsentierten die Personalberatung lawyers & more und die Fakultätsvertretung die Ergebnisse des Vienna Law Students Monitor im Presseclub Concordia. Insgesamt langten in der erstmals diesen Oktober durchgeführten Online-Umfrage unter Studierenden der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien 863 Fragebögen ein. 223 Befragte (25,9 %) gaben hier männlich an, 631 (73,1 %) weiblich; 5 Personen „divers“, 4 machten keine Angabe. Die Umsetzung erfolgte durch die Observer GmbH in Kooperation mit der Marktforschungs- und Marketingberatung Hasslinger Consulting.

Studienzufriedenheit: Theoretische Tiefe top, Praxisbezug eher mangelhaft

Die Befragten zeigten sich allgemein mit dem Studium überwiegend zufrieden (vierstufige Skala von „1 – sehr zufrieden“, „2 – zufrieden“, „3 – wenig zufrieden“ und „4 – nicht zufrieden“). Die generelle Zufriedenheit mit dem Studium erzielte einen Mittelwert von 2,1 jene mit der theoretischen Tiefe sogar 1,8. Die Zufriedenheit nimmt im Verlauf des Studiums etwas ab. Die Zufriedenheit mit der theoretischen Tiefe im Studium ist dagegen eher konstant. Deutlich schlechter eingeschätzt werden der Praxisbezug und die persönliche Betreuung im Studium, sie erzielten jeweils einen Mittelwert von 2,8.
Florian Laszlo (CEO Observer GmbH) fasste die Ergebnisse zusammen: „Die Ergebnisse spiegeln subjektive Meinungen der Studierenden wider, auch wenn die Realität des Studiums vielleicht eine andere ist. Das ist auch ein Branding-Thema der Universität. Die wichtigste Erwartung an den Arbeitsmarkt lässt sich einfach mit ,RESPECT‘ zusammenfassen – u.a. ein Arbeitsumfeld, wo man auf Augenhöhe akzeptiert wird, eine konstruktive Fehlerkultur und faire Arbeitszeiten herrschen.“

Berufswunsch bei Männern Anwalt, bei Frauen Justiz stärker ausgeprägt

Eine zentrale Frage in der Umfrage behandelte das Berufsfeld für die 1. Beschäftigung: „In welcher Branche bzw. welchem Einsatzfeld möchtest du in das Berufsleben einsteigen? Wenn du noch nicht sicher bist, wo am ehesten?“ Am häufigsten wurden hier die „klassischen Berufsfelder“ Anwaltsberuf (39,8 %) und Justiz (21,2 %) genannt. Auf dem 3. Platz folgte Interessenvertretung/NGO/NPO mit 12,9 % vor der Tätigkeit als Unternehmensjurist:in (6,8 %) und der Verwaltung (5,7 %), „anderer juristischer Tätigkeit“ (4,9 %) und dem Notariat (4,3 %). 2,1 % der Befragten streben einen Berufseinstieg in der Wissenschaft an, 1,3 % im Wirtschaftstreuhandwesen und 1,0 % im Consulting. Deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich bei der Justiz und „Interessenvertretung/NPO/NGO“ die stärker von Frauen als Wunschberufsfeld zum Einstieg genannt wurde.

Univ.-Prof. Franz-Stefan Meissel, Der Vizedekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, reagierte auf die Ergebnisse: „Die Umfrage zeigt Empfindungen auf, die sich mit unseren eigenen Umfragen auch decken. Unter der sehr heterogenen Gruppe von über 8.000 aktiven Studierenden zeigt sich ein differenziertes Bild. Das Juridicum liegt in Rankings und bei internationalen Wettbewerben sensationell gut – siehe etwa Moot Courts, wo wir weltweit den 1. Platz erreichen konnten. Das zeigt, dass wir Studierende sehr gut auf die Praxis vorbereiten. Jede gute Theorie schaut Richtung Praxis, und jede Praxis profitiert von theoretischer Fundierung.“ Armenak Utudjian, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags und Rechtsanwalt in Wien, erklärte: „Im Lauf des Studiums steigt vielfach sogar der Praxisbezug, insofern stimmt mich die geringe Zufriedenheit hier sehr nachdenklich. Die Rechtsanwälte bilden viele Juristinnen und Juristen für andere Berufe aus. Zur Gehaltserwartung muss ich betonen, dass Frauen und Männer in Wiener Wirtschaftskanzleien jedenfalls die gleichen Einstiegsgehälter erzielen können, wenn sie diese verlangen.“

Die stv. Generalsekretärin der WKÖ Mariana Kühnel vertrat einerseits die Perspektive der Unternehmen, andererseits auch die Interessenvertretung als Arbeitgeberin. Sie bekräftigte: „Der Arbeitskräftemangel zeigt sich auch bei juristischen Berufen, die Jobprofile erweitern sich durch immer intensivere Regulierung und neue Themenbereiche wie KI, hier reagieren die Hochschulen auch mit Spezialisierungen in den Wahlfachkörben. Mehr Praxisbezug ist insgesamt wichtig, deshalb bietet die WKÖ jungen Talenten Berufseinstiege über Traineeprogramme. Aus Unternehmenssicht ist mehr interdisziplinäre Kompetenz zwischen Recht und Wirtschaft wünschenswert, ebenso wie mehr Auslandserfahrung im Studium.“ Christian Kemperle, Leiter der Sektion „Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation“ im BMKÖS, stellte fest: „Die Bezahlung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst ist gleich, die Frauenquote im Bundesdienst beträgt über 43 %; bei den Führungskräften bei 37 % – Tendenz jeweils steigend. Die Aussichten sind gut, die Verwaltung in Österreich braucht 800-900 Juristinnen und Juristen als Neuzugänge pro Jahr.“

Beginnt Gender Pay Gap nach dem Studium mit geringeren Erwartungen?

Ein gutes Drittel der Antwortenden (36,6 %) erwartet ein Einstiegsgehalt monatlich zwischen 2.500 und 2.999 Euro. 15,8 % liegen darunter, 23,3 % erwarten zwischen 3.000 und 3.499 Euro, 11,8 % mehr als 3.500 Euro. Frauen liegen in ihren Erwartungen durchschnittlich unter jenen von Männern. Während 39,3 % hier zwischen 2.500 und 2.999 Euro brutto erwarten, liegen hier 32,3 % ihrer männlichen Kollegen bei einer Erwartung von 3.000 bis 3.4999 Euro. Bernhard Breunlich (lawyers & more) betonte dazu: „Wir möchten Frauen bestärken hier mutiger aufzutreten, sich ihres Werts am Arbeitsmarkt bewusst zu sein und ihn zu vertreten. Viele Absolventinnen bringen fundierte Praxiserfahrung mit – genau so wie auch ihre männlichen Kollegen – und das ist gemeinsam mit dem Studium eine gute Basis für den Einstieg in die Karriere zu gleichen Gehältern. Außerdem möchte ich eine Lanze für das Berufsbild der Unternehmensjuristen brechen. Es ist spannender und abwechslungsreicher als es das Bewusstsein der Studierenden für dieses Berufsbild widerspiegelt.“ Die Mehrheit der Befragten ist bereits neben dem Studium berufstätig: 361 (41,8 %) sind geringfügig beschäftigt; 156 Personen arbeiten Teilzeit, 24 Vollzeit (180 ergibt gemeinsam 20,9 %), 322 Befragte gaben an nicht berufstätig zu sein (37,3 %). Elias Schmidt, Vorsitzender der Fakultätsvertretung Jus, reagierte auf die Ergebnisse: „Die Tatsache, dass die Mehrheit der Studierenden in irgendeiner Form berufstätig ist, das bestärkt uns in der Forderung nach einem besseren Lehrveranstaltungsangebot am Abend. Wir nehmen gerade das Thema bessere Frauenförderung als gesamtgesellschaftlichen Auftrag und auch für uns als Interessenvertretung mit.“

Als wichtigste Erwartung in den ersten fünf Karriere-Jahren überwiegt die „Perspektive“ (Karriere/Lernen/Aufstiegschancen) mit 49,9 % vor dem „Sinn durch die Tätigkeit erfahren“ mit 22,4 %; die weiteren Elemente sind etwas abgehängt – Gehalt mit 8,2 %, Sicherheit mit 7,1 %, Kultur mit 6,0 % und Flexibilität mit 4,6 %. Männer sind etwas mehr an Perspektive und Gehalt orientiert, Frauen etwas mehr an Sicherheit und Flexibilität.
Die Diskussion wurde von Gernot Rohrhofer (Ressortleiter Bewegtbild, DIE PRESSE) moderiert. APA-Fotogalerie

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Thomas GOISER
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