Politik

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 07. November 2023. Von Marco Witting: „Auf der Mauer, auf der Lauer“.

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 07. November 2023. Von Marco Witting: „Auf der Mauer, auf der Lauer“.

Innsbruck (OTS) Keine konsumfreien Plätze im öffentlichen Raum, eine sterbende Clubszene, Hin und Her um ein Gitter. Innsbruck wollte einmal „Endlich Weltstadt“ sein – und es verkommt gerade nicht nur für die Jugendlichen zur Provinz.

Der Innsbrucker Wahlkampf hat noch nicht einmal angefangen (oder doch?), schon gibt es das erste Thema, das so richtig hochkocht. Wobei man sich schon arg wundern muss, woher denn das plötzliche Interesse so mancher Fraktion kommt, wenn es um die Benutzung der Mauer am Innufer bei der Uni geht. Denn die Schatten über dem Sonnendeck gibt es schon lang. Nicht nur wenn es um die Sitzmöglichkeiten und das Gitter geht, wird der Ball hin- und hergespielt. Das Sonnendeck steht symbolisch dafür, wie man mit konsumfreiem Raum für die Jugendlichen in unserem Land umgeht. Den Einsatz, den jetzt einige Politiker auf Instagram und Facebook in dieser Causa urplötzlich zeigen, den wünscht man sich auf höherer Ebene für Plätze, Clubszene und die Verteilung im öffentlichen Raum. Auf der Mauer, auf der Lauer … nach ein paar Stimmen.
Mit ein paar Tischen, einem DJ-Pult und zwei Boxen startete 2013 die Veranstaltungsreihe Sonnendeck. Aus einer Handvoll wurden 2000 Besucher, die an der Promenade bei freiem Eintritt und ohne Konsumzwang feierten. Und von der Veranstaltung hat der Bereich irgendwie dann auch den Namen übernommen. Je mehr Leute, desto mehr Probleme – Lärm, Müll, Anrainerbeschwerden. Im Juni 2022 wurde dann eine Veranstaltung abgebrochen – die Politik blieb größtenteils stumm. Schon damals war die Mauer das Problem bei der angemeldeten Veranstaltung. Eine Situation, die sich bis heute nicht geändert hat. Und das Sonnendeck fiel im Sommer 23 wegen der Bauarbeiten dann ganz aus. Wieder ein Freiraum weniger. Wieder eine Gelegenheit weniger, wo sich Jugendliche treffen können. Das alles in einer Stadt, die gerne Weltstadt wäre, aber in diesem Punkt tiefste Provinz bleibt. Innsbrucks Jugend- und Kulturszene muss gerade von der Ufermauer aus zusehen, wie ein Club nach dem anderen den Inn hinuntergeht. Die letzten verbliebenen Freiflächen verbarrikadiert werden. Wundert sich angesichts dieser Fakten noch jemand, dass regelmäßig illegal in der Sillschlucht gefeiert wird?
Diese Probleme sind alle nicht neu. Im Gegenteil. Wenn sich heute eine Demo formiert, die auf den schwindenden Raum für Junge hinweisen will, dann ist das so etwas wie der letzte Hilfeschrei, bevor die Stadt endgültig zu einem stillen, zubetonierten Klotz verkommt.
Es braucht Lösungen – nicht nur für das Sitzen am Sonnendeck. Es braucht endlich ein klares Bekenntnis und Projekte zum öffentlichen Raum und dessen Nutzung für die Jugend. Auch wenn gerade keine Wahl bevorsteht.

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