Soziale Medien und Privatsphäre
Das junge Paar, das kürzlich in unser Familien-Beratungsbüro kam, zeigte schmerzhafte Fotos und Texte, die sie in den sozialen Medien gegenseitig geteilt hatten und erklärte, warum sie nicht miteinander auskommen können. Das Paar erklärte, dass sie unglücklich seien, da sie zu Hause miteinander kein Wort austauschen können und da sie ihre gesamte Kommunikation über die sozialen Medien führen. Sie fragten mich, wie ich ihnen in dieser Hinsicht helfen könnte und sagten, dass der Weg zur Scheidung mit jedem weiteren Tag immer kürzer werde.
Ich weiß nicht, ob uns das bewusst ist, aber die Wahrnehmung der Privatsphäre hat sich in den Ehen seit der aktiven Teilnahme der sozialen Netzwerke in unserem Leben geändert. Die verheirateten Paare sind immer im Vorschein…
Sie leben ihre Liebe und ihren Hass vor anderen Menschen aus. Während die Frau einen Text über die Undankbarkeit ihres Mannes mit schmerzhaften Sätzen teilt, enthüllt der Mann die Vorwürfe der Frau durch ein Foto. Soziale Medien haben sich zu einem Arena entwickelt, in der Kampfkünste der Ehepaare ausgestellt werden. Verheiratete Paare wachen jeden Tag auf und überlegen, wie sie sich heute wohl gegenseitig entegegentreten sollen. Während die Frau zeigen möchte was sie alles aushalten muss und deshalb ein Foto der Zahnpastatube, die von ihrem Mann genau in der Mitte ge- presst wurde, teilt, teilt der Mann ein Foto von dem nicht abgeräumten Tisch und leistet Gegenattacke. Wir merken nicht mal, dass seit langem eheliche Diskussionen nicht mehr unter vier Augen stattfinden.
Es gibt sogar Menschen, die ein Foto von der Kaffee, den sie zusammen mit ihren Ehepartnern genießen, hochladen, um einfach anderen zu zeigen „Schau, ich bin so glücklich wie du!“ oder auch Menschen, die nur einen Tisch dekorieren, um ein Foto zu tei- len. Diejenigen, die ihre Ehe und die Ehe ihrer Freunde, die ihr Glück in den sozialen Medien teilen, vergleichen, können zu Hause des öfteren Unruhe stiften. Die Tatsache, dass Menschen ihre Freunde jeden Tag Schritt für Schritt folgen, Neugierig auf die besuchten Orte, auf die Kleidung, auf das Essen sind und dies ans Tageslicht bringen und auch noch mit dem eigenen Le- ben vergleichen, macht eine Person nur unglücklich.
Meines Erachtens ist einer der Haupt- gründe, warum Ehen in den letzten Jahren nicht mehr gut laufen, die Unachtsamkeit der Privatsphäre in der Ehe. Denn eine Ehe kann nur funktionieren, wenn sie auf dem Prinzip der Privatsphäre beruht. Unter Privatsphäre versteht man nicht nur „Sachen, die man nicht jedem erzählt“, sondern auch „Sachen, die zwischen zwei Personen ablaufen“. Alles, was zwischen zwei Personen abläuft, interessiert nur die beiden Personen und ist privat. Zum Beispiel stellen Liebe, Sehnsucht, Freude, Glück, Momente zwei- er Menschen, ihre Träume über die Zukunft, ihr Wut, ihre Probleme, ihre Anspannungen, ihre Enttäuschungen und vieles weitere die Privatsphäre der ehelichen Beziehungen dar. Wenn eine Privatsphäre in der Ehe nicht vorhanden ist und alles vor vielen Augen gelebt wird, bringt dies im Laufe der Zeit verschiedene Probleme mit sich.
Ehe bedeutet „Ehepartner“ zu sein, „wir“ zu sein. Ehe bedeutet, auf der Reise des Lebens in die gleiche Richtung und im gleichen Rhythmus zu gehen. Ehe bedeutet, die Privatsphäre zwischen vier Wänden zu schützen. Andernfalls kann man Häuser nur als Gebäude aus Eisen und Zement se- hen und niemals als ein Ort des Wohlbefindens. Ehepartner können sich nicht an dem Ort, wo sie sich am sichersten fühlen sollten, sicher fühlen. In Beziehungen, in denen Angst und Misstrauen mehr zu spüren sind, können sich Ehepartner, um sich zu verteidigen, aggressiv verhalten. Ein Ehepartner „greift an“ und der andere antwortet mit einem „Gegenangriff“ und beides tun das nur um sich zu verteidigen. Im Endeffekt, kommt es dann zur einer „Zerrüttung der Ehe“ und die geschlossene Ehe wird aufgelöst.
Es kommen Tage an denen die Ehepartner, die erlebten und erzählten Ereignisse einfach vergessen. Ehepartner, deren Stimmung sich am Ende eines schlechten Tages mit einer klei-nen schönen Tat ändert, erinnert sich später nicht mehr an den schlechten Tag, sondern an die eine schöne Tat. Man vergisst die eigenen Probleme mit der Zeit, doch die Menschen, mit denen man diese Probleme geteilt hat, vergessen sie nicht. Bei jedem Problem werden schlechte Erfahrungen weitergegeben. Schließlich wird ein Problem, das eigentlich auf einer sehr einfachen Weise gelöst werden könnte, zu einem Berg, da es sich mit den Problemen der Vergangenheit verbindet und somit in keiner Weise gelöst werden kann. Wenn die Probleme immer mehr zunehmen, wird die Last der Ehe auch immer unerträglicher. Dann kommt der Punkt, wo man nicht mehr diese Last ertragen kann und loslässt.
Um all diese Probleme zu vermeiden, ist es wichtig, auf die Privatsphäre in der Ehe zu achten. Behalte deine Erfahrungen für dich, ob Gut oder Schlecht. Du müsst niemandem bewei- sen, dass du glücklich bist. Versuche nicht deinen Glück allen zu präsentie-ren, versuche deinen Glück zu finden!