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EU-Ausschuss des Bundesrats spricht sich einstimmig gegen neue genomischen Techniken in der Landwirtschaft aus

EU-Ausschuss des Bundesrats spricht sich einstimmig gegen neue genomischen Techniken in der Landwirtschaft aus

Weiters diskutierten die Bundesrät:innen mit EuRH-Mitglied Helga Berger über Themen aus dem EuRH-Jahresbericht 2022

Wien (PK) Eine Aussprache mit Helga Berger, Österreichs Vertreterin im Europäischen Rechnungshof (EuRH), über den Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs 2022 stand heute im EU-Ausschuss des Bundesrats auf der Tagesordnung. Zudem befassten sich die Bundesrät:innen mit einem Verordnungsvorschlag zu mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen (NGT-Pflanzen) und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel.

EuRH-Bericht: Fehlerquote bei Ausgaben erneut gestiegen

Der EuRH gibt, wie auch schon in den Jahren davor, ein uneingeschränktes Prüfungsurteil zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU für 2022 ab, stellte jedoch in seinem Jahresbericht 2022 fest, dass bei den Ausgaben die Fehlerquote auf 4,2 % gestiegen (2021: 3,0 %) ist. Häufigste Ursache von Fehlern sind Zahlungen für nicht förderfähige Kosten, Projekte oder Begünstigte und Fehler aufgrund von Verstößen gegen die Vorschriften für öffentliche Vergabeverfahren und Beihilfen.

Für die Aufbau- und Resilienzfazilität gibt der EuRH nur ein eingeschränktes Prüfungsurteil ab, da 2022 von 13 Finanzhilfezahlungen (46,9 Milliarden Euro an 11 Mitgliedstaaten) insgesamt sechs in wesentlichem Ausmaß mit Fehlern behaftet waren.

Der EuRH hat auch Stichproben in Österreich durchgeführt, wobei die Bereiche „Binnenmarkt, Innovation, Digitales“, „natürliche Ressourcen, Umwelt“ sowie „Zusammenhalt, Resilienz und Werte“ („Kohäsion“) geprüft wurden. In allen drei Bereichen stellte der EuRH Fehler mit finanziellen Auswirkungen auf den EU-Haushalt fest. Diese betrafen nicht förderfähige Kosten, Verstöße gegen Vergabevorschriften und Fehler bei der Angabe der förderfähigen Flächen. Bei den Fehlern, die in Österreich festgestellt wurden, handele es sich um Fehler im unteren Prozentbereich. Jedoch wurden zudem Schwachstellen im Überwachungs- und Kontrollsystem in Österreich festgestellt, berichtete Berger. Das Resümee laute daher, dass Verbesserungen notwendig und Systemfehler angegangen werden müssen, um Folgefehler zu vermeiden.

In Österreich wurde vom EuRH zudem der Bereich der EU-Unterstützung für die Digitalisierung von Schulen geprüft. Die Prüfer:innen kamen dabei zu dem Ergebnis, dass die EU geförderten Maßnahmen die Schulen in Österreich bei der Digitalisierung unterstützen. Allerdings könnte jedoch die strategische Ausrichtung der Verwendung der EU-Mittel besser sein. Denn teilweise seien bereits zugewiesene nationale Mittel nur durch EU-Mittel ersetzt und keine zusätzlichen Maßnahmen mit den EU-Geldern finanziert worden, legte Berger dar. Es sei zwar in dieser Periode nicht mehr so deutlich festgeschrieben, dass dies nicht erwünscht sei, der EuRH sehe dies dennoch kritisch, da der europäische Mehrwert bei dieser Vorgehensweise nicht gegeben sei, so Berger.

Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) sprach die unterschiedliche Berechnung der Fehlerquote an. Denn die Europäische Kommission spreche, anders als der EuRH, nur dann von Fehlern, wenn es tatsächlich zur Rückzahlung von Geldern komme. Helga Berger sagte, dass dabei von unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen ausgegangen werde und die Mandate des EuRH sehr breit seien. Die Europäische Kommission wolle möglichst wenig als Fehler deklarieren, in diesem Jahr habe die Europäische Kommission 18 Fälle nicht als Fehler anerkannt. Dennoch sei es in einem dieser Fälle zu einer Rückzahlung gekommen. Dies zeige, dass die vom EuRH aufgezeigten Fälle sehr wohl von der Europäischen Kommission ernst genommen werden.

Marco Schreuder (Grüne/W) wollte von Helga Berger wissen, wie man damit umgehen solle, dass die Töpfe für Finanzhilfen nach Naturkatastrophen in dieser Periode bereits leer seien. Helga Berger betonte, dass der siebenjährige Finanzrahmen grundsätzlich Planungssicherheit gebe, es aber in Krisenzeiten schwierig sei, wenn es zu vielen unvorhersehbaren Ereignissen komme. Derzeit sei genau dies der Fall, weil mit den Hilfen für die Ukraine, Naturkatastrophen und der hohen Zinsbelastung gleich mehrere Dinge zusammenkommen. Es müsse daher überlegt werden, wo Umschichtungspotentiale bestehen, so Berger.

Stefan Schennach (SPÖ/W) sprach die Komplexität der Vorgaben, vor allem bei der Berechnung von Personalkosten an, welche eine große Fehlerquelle bei der Umsetzung von EU-Projekten seien. Er stellte die Frage nach einfacheren Regulativen. Die Forderung nach Vereinfachungen sei „immer ein Thema und wir wollen vereinfachen“, meinte Berger. Vereinfachungen werden jedoch oft dann gar nicht so umgesetzt, wie sie eigentlich gedacht waren. Daher sei vor allem auch Kontinuität bei Vorgaben wichtig, sodass es nicht zur Überforderung bei den Antragsteller:innen komme.

Mit Verweis auf den vom EuRH veröffentlichten Sonderbericht zur „Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen durch die EU“ kritisiert die FPÖ, dass „selbst der Prüfer der Europäischen Union“ keinen Einblick in die Corona-Impfstoffbeschaffungsmaßnahmen der EU-Kommission erhalten habe. Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) nannte dies einen „Skandal der Sonderklasse“ und brachte daher einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, gegenüber der Europäischen Kommission die Offenlegung sämtlicher Corona-Impfstoffverträge zur Gänze, sowie aller weiteren für die Beschaffungsvorgänge relevanten Informationen, einzufordern. Der Antrag blieb mit den Stimmen der FPÖ in der Minderheit und wurde damit abgelehnt.

Marco Schreuder (Grüne/W) sagte, dass man sich bei der Corona-Impfstoffbeschaffung für eine einheitliche Vorgehensweise in Europa entschieden habe, um Steuergeld zu sparen. Selbstverständlich gelte bei Beschaffungsprozessen je mehr Transparenz desto besser. Große Teile des Vertrages seien veröffentlicht worden.

Die europäische Initiative zur gemeinsamen Corona-Impfstoffbeschaffung sei „total wichtig gewesen um für die Mitgliedsstaaten Impfdosen zu sichern“, sagte Helga Berger. Im EuRH-Bericht wurde auf die Nichtvorlage des betreffenden Dokuments hingewiesen, Prüfungsaussagen zum Beschaffungsvorgang seien jedoch trotzdem möglich gewesen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte der EuRH die Offenlegung des Dokuments gefordert, betonte Berger. Wichtig sei, dass man für künftige weitere Beschaffungsvorgänge Lehren aus der Corona-Impfstoffbeschaffung ziehe und sich mit der Frage beschäftige, was man in Zukunft in ähnlichen Fällen besser machen wolle.

Verordnungsvorschlag zur Deregulierung der Neuen Gentechnik (NGT)

Die EU-Kommission plant eine Deregulierung bestimmter Pflanzen, bei denen Neue Gentechnik (NGT)-Methoden angewendet wurden. Gezielte Mutagenese und Cisgenese (einschließlich Intragenese) gelten als NGT. Sie unterscheiden sich von etablierten genomischen Techniken, da sie neuartige Merkmale aufweisen, beispielsweise eine höhere Präzision und Geschwindigkeit bei der Einführung der gewünschten genetischen Veränderungen und das Einführen von genetischem Material nur von einer kreuzungsfähigen Art. Im Verordnungsentwurf wird die Initiative mit einer „erheblichen Nachfrage nach NGT-Pflanzen“ begründet, da diese zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen im Agrar- und Lebensmittelsystem beitragen könnten: „Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt haben den Schwerpunkt auf die langfristige Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelkette und die Notwendigkeit des Übergangs zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und zu nachhaltigeren Lebensmittelsystemen gelegt.“

Daher solle nun mit der neuen Verordnung eine Vielzahl von NGT-Pflanzensorten aus der bestehenden strengen Zulassung für gentechnisch veränderten Organismen (GVO) herausgenommen werden, wenn diese als gleichwertig mit herkömmlich gezüchteten Pflanzen gelten. Dies wäre nach dem Entwurf der Fall, wenn sie sich von der Empfänger-/Elternpflanze durch nicht mehr als 20 genetische Veränderungen in einer DNA-Sequenz unterscheidet (NGT-1-Pflanzen). Diese NGT-1-Pflanzensorten müssten künftig nur noch angemeldet und in einem öffentlich zugänglichen Register eingetragen werden. Weder ein Zulassungsverfahren noch eine Kennzeichnungspflicht von Lebens- oder Futtermittel aus NGT-1-Pflanzen ist vorgesehen. NGT-Pflanzen, die nicht in Kategorie 1 fallen (NGT-2-Pflanzen), unterliegen ähnlich wie die klassischen GVO einem Zulassungssystem. Sie könnten jedoch künftig vereinfacht zugelassen werden.

Das Problem liege darin, dass laut diesem Vorschlag die sogenannte „Opt-Out Regelung“ wegfalle, erklärte ein Experte des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Gemeint sei damit, dass einzelne Mitgliedsstaaten auf Basis eines nationalstaatlichen Beschlusses kein wirksames Anbauverbot für alle mit Gentechnik gewonnenen Pflanzen mehr erlassen können. Auf diesen Kritikpunkt wird auch von den Bundesländern in einer Einheitlichen Länderstellungnahme sowie einer Stellungnahme des oberösterreichischen Landtags hingewiesen. Es heißt darin, dass der Verordnungsvorschlag gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoße, weil er die bisherige Wahlfreiheit der Mitgliedsstaaten, den Anbau von GVO in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassen, einzuschränken oder zu verbieten, für den großen Bereich der NGT faktisch beseitige und damit das bestehende Regelungssystem für die Freisetzung, den Verkauf und die Kennzeichnung von GVO weitgehend hinfällig mache.

Als weiteren Kritikpunkt nannte der Experte des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, dass die Europäische Union die Kriterien für NGT-1-Pflanzen eigenständig immer mehr erweitern könne, wenn die Definition von NGT-1-Pflanzen mittels Durchführungs- oder delegiertem Rechtsakt erfolge, wie im Entwurf vorgesehen.

Der Wegfall der Kennzeichnung gefährde stark die Wahlfreiheit der Konsument:innen, betonte eine Expertin der Arbeiterkammer und machte darauf aufmerksam, dass auf europäischer Ebene großes Interesse bestehe, den Verordnungsentwurf möglichst rasch und damit noch rechtzeitig vor der EU-Wahl im kommenden Jahr zu beschließen.

ÖVP, Grüne, SPÖ und FPÖ sprachen sich im Ausschuss gegen den Verordnungsentwurf aus und brachten eine gemeinsamen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem sie die Bundesregierung binden, gegen den Vorschlag der Europäischen Kommission zu stimmen und zudem die Einhaltung folgender Prinzipien fordern: Möglichkeit des Anbauverbots für alle mit Gentechnik, einschließlich neuer genomischer Techniken, gewonnener Pflanzen in einzelnen Mitgliedsstaaten auf Basis nationalstaatlicher Beschlüsse („Opt-Out Regelung“), die Kennzeichnung sowie Zulassungsverfahren für alle mit Gentechnik einschließlich neuer genomischer Techniken gewonnenen Organismen inklusive Risikobewertung sowie die Einhaltung des Vorsorgeprinzips bei der Arbeit mit, Freisetzung von und Zulassung von mit Gentechnik einschließlich neuer genomischer Techniken hergestellter Organismen. Weiters wird die Bundesregierung ersucht, sich weiterhin aktiv dafür einzusetzen, dass etwaige wie im Entwurf vorgesehene Unterscheidungen zwischen NGT-1 und NGT-2, nur im Wege eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und nicht mittels Durchführungs- oder delegiertem Rechtsakt abgeändert werden können. Der Antrag wurde im Ausschuss einstimmig angenommen.

Beim Thema Gentechnik sei vieles miteinander verknüpft, beispielsweise Wissenschaft, Landwirtschaft, Konsument:innenwünsche, Biolandwirtschaft und die Marke Österreich als gentechnikfreies Land, sagte Marco Schreuder (Grüne/W). Gentechnikfreiheit heiße aber nicht, dass man grundsätzlich gegen Forschung sei, so Schreuder.

Die Opt-Out Regelung sei viele Jahre lang hart erkämpft worden, erinnerte Stefan Schennach (SPÖ/W). Sie müsse nun beibehalten bleiben, denn die Konsument:innen würden keine gentechnisch veränderten Pflanzen wollen.

Es gehe bei diesem Thema um sehr viel, sagte Silvester Gfrerer (ÖVP/S). Der Klimawandel bringe viele Herausforderungen mit sich, daher müsse man neue Wege bestreiten. Die Forschung sei dabei wichtig, dennoch müssen man weiterhin auf eine gentechnikfreie Zukunft setzen, so Gfrerer.

Es sei eine Freude, dass alle vier Parteien bei diesem Thema mit einem gemeinsamen Antrag an einem Strang ziehen, sagte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N). Michael Bernard (FPÖ/N) verwies in diesem Zusammenhang auf das Getreide aus der Ukraine, für welches nicht dieselben Kriterien gelte, wie für Getreide aus der Europäischen Union und forderte, dass man auch dies zum Thema machen solle.

Seitens der NEOS wird der Einsatz von Gentechnik nicht dogmatisch abgelehnt, sagte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Seine Fraktion würde dem Verordnungsvorschlag in dieser Form jedoch ebenfalls nicht zustimmen. Durch den Einsatz von Gentechnik dürfen nicht neue Abhängigkeiten von Chemie- und Agrarkonzernen geschaffen werden. Die Wahlfreiheit der Konsument:innen sei im Verordnungsentwurf zudem nicht ausreichend berücksichtigt, zudem sei das Patent- und Saatgutrecht nicht miteinbezogen worden. Wichtig sei die Sicherstellung von Wahlfreiheit, Transparenz und Unabhängigkeit. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) bea

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