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Der Trailer des Lebens: Bindung und Trennung

Hilal RAMAZAN
Psychologe

Der Trailer eines Films ist eine Zusammensetzung von Abschnitten, in dem wir Informationen über den Film erhalten, der die ausschlaggebenden Themen des Films anzeigt und Informationen über die Fortsetzung des Films bereitstellt. Genauso sind die ersten vier Lebensjahre eines Menschen ein Trailer ihres Lebens. So wie ein Film auf den Szenen im Trailer basiert, prägt das, was wir in den ersten vier Jahren erleben, den restlichen Verlauf unseres Lebens.
In den ersten vier Jahren müssen zwei grundlegende Gefühle erlangt werden: Vertrauen und Unabhängigkeit. Das Gefühl von Vertrauen hängt mit „Bindung“, was eines der populären Begriffe der heutigen Zeit ist, zusammen. Obwohl das Gefühl der „Unabhängigkeit“ nicht so sehr im Vordergrund steht wie der Begriff „Bindung“, hängt dieser Begriff mit dem genauso wichtigen „Trennungsprozess“ zusammen. Da der Rest des Lebens auf diese zwei Grundlagen basiert, ist es sehr wichtig, diese beiden Emotionen zu verstehen.

Bindung
Der Begriff Bindung wird verwendet, um die Beziehung auszudrücken, die das Kind im Alter von 0 bis 2 Jahren zum pflegenden Betreuer bildet. Wenn ein Säugling auf die Welt kommt, ist das erste Gefühl, was es empfindet, Angst. Die Welt ist zunächst sehr fremd und besorgniserregend für ihn. Die Töne, der Geruch und die Farbe dieser Welt unterscheiden sich sehr vom Mutterleib. Dort war es sicher und geschützt, wohingegen hier auf der Welt eine große Unsicherheit besteht. Stellen Sie sich vor, sie müssen plötzlich in ein Ihnen fremdes Land einreisen. Sie hatten keine Zeit, die Kultur dieses Landes zu erforschen und die Sprache zu erlernen und befinden sich plötzlich dort. Die erste Person, die Sie dort treffen, behandelt Sie jedoch mit Empathie und kümmert sich um Sie. Somit entwickeln Sie positive Gefühle gegenüber den anderen Menschen in diesem Land und denken, dass in diesem Land lebende Menschen hilfsbereit und freundlich sind. Ein zweites Szenario ist, dass die Person, die Sie als erstes treffen, Sie schlecht behandelt, Sie beschimpft, beleidigt, Ihnen nichts zu essen gibt und mit Ihnen keine schöne Zeit verbringt. Was würden Sie denken? Sie würden höchstwahrscheinlich denken, dass die Leute in diesem Land unhöflich und nicht menschenfreundlich sind. Sie würden es meiden wollen, erneut in dieses Land zu einzureisen. Sie würden, ohne andere Leute kennenzulernen, eine Verallgemeinerung machen und denken, dass alle Menschen dort auf derselben Art und Weise Sie behandeln würden. Dies tun wir, da unser Verstand automatisch diese Verallgemeinerung macht. Daher ist die erste und fortlaufende Beziehung der Säuglinge, die sie zu ihren Betreuern aufbauen, sehr wichtig. Denn diese Beziehung bildet die Grundlage der Beziehung zu anderen Menschen. Die Grundüberzeugung des Säuglings gegenüber sich selbst, der Welt und den anderen baut sich auf die Beziehung der Erstbetreuer auf.

Wie entsteht Bindung?
Damit sich eine stabile Bindung zwischen dem Säugling und der Erstbetreuer entwickelt,
• müssen die Bedürfnisse des Säuglings erfüllt werden, also muss der Säugling gefüttert werden, der Durst muss gestillt werden, das Schlafbedürfnis muss erfüllt werden etc.
• muss der Säugling beruhigt werden und seine Schmerzen müssen gelindert werden, also muss der Säugling entspannt werden, sich wohlfühlen, beim Bäuerchen machen unterstützt werden…
• müssen die ersten Kommunikationen stattfinden, wie zum Beispiel mitlachen, wenn der Säugling lacht, sich mit ihm unterhalten, Spaß miteinander haben…

Wenn diese drei Grundbedingungen kontinuierlich und in Übereinstimmung durchgeführt werden, ist die Grundlage geschaffen, um eine sichere Bindung zwischen dem Säugling und dem Erstbetreuer zu erreichen.

Trennung
Dieser Begriff ist zurzeit nicht so im Trend wie der Begriff Bindung, jedoch genauso wichtig wie die Bindung. Ein Kind, das im Alter von 0 bis 2 Jahren auf gesunde Art und Weise das Gefühl des Vertrauens gewonnen hat, sucht im Alter von 2 bis 4 Jahren das Gefühl der Unabhängigkeit. Mit anderen Worten möchte das Kind ein Individuum werden, also von einer abhängigen Beziehung zu einer unabhängigen Beziehung wechseln. Es gibt zwei Arten der Geburt. Die erste Art ist die körperliche Geburt. Der Säugling kommt aus dem Mutterleib und macht den ersten Schritt in Richtung Individualisierung. Mit dem Alter von 2 Jahren beginnt die psychische Geburt des Kindes, also die zweite Geburt. Das Kind möchte die Unabhängigkeit, die es im körperlichen Sinne schon erlangt hat, nun auch psychisch bekommen. Die psychische Geburt ist für die Mutter und das Kind genauso schmerzhaft wie die körperliche Geburt. Was passiert nun, wenn die psychische Geburt nicht stattfindet und das Kind sich nicht gesund trennen kann? Das betroffene Kind kann in so einem Fall sein ganzes Leben lang keine unabhängige Individualität bilden. Es wird immer ein Mensch sein, der unter der „Führung“ von jemandem lebt, sich nicht äußern und keine persönliche Stellung nehmen kann. Doch wenn eine psychische Geburt stattfindet, entwickelt das Kind sich zu einer Person, der selbstbewusst ist und seine Meinungen und seine Gedanken klar äußern kann.

Die erste und fortlaufende Beziehung der Säuglinge, die sie zu ihren Betreuern aufbauen, ist sehr wichtig. Denn diese Beziehung bildet die Grundlage der Beziehung zu anderen Menschen.

Wie verläuft die Phase der Trennung bzw. der Unabhängigkeit?

Mit 2 Jahren versucht das Kind, sich von seinem Betreuer zu lösen und alle Tätigkeiten selbst auszuüben. Wenn die Eltern sich dem natürlichen Rhythmus des Kindes anpassen und dem Kind Schritt für Schritt die Verantwortung für sein Leben übertragen, wird dieser Prozess auf eine gesunde Weise überwunden. Das Kind sollte bis zum Alter von 4 Jahren alle Selbstpflegefähigkeiten erworben haben, z. B. selbstständig essen können, in einem separaten Bett und Zimmer schlafen können, die Toilette eigenständig nutzen können und in der Lage sein, sich an- bzw. auszuziehen. Auf diese Weise versteht das Kind, dass es ein Individuum ist und wird mit jedem Tag unabhängiger. Gedanken, die die Verantwortung der Kinder abnehmen, wie „mein Kind kann das nicht selber machen, mein Kind kann es nicht so gut wie ich machen, wenn es erwachsen ist, muss es sowieso alles selber machen, jetzt mache ich das lieber für ihn, mein Kind ist doch noch so klein“ geben in dem Moment den Eindruck, als ob man dem Kind einen Gefallen tun würde, doch auf Dauer verursachen diese Gedanken großen Probleme. Es verhindert dem Kind ein Individuum zu werden und seine Unabhängigkeit zu erwerben.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass das Leben aus „Bindung und Trennung“ besteht. Das Alter zwischen 0-4 Jahre ist die Zusammenfassung des Lebens, also ein Trailer. Wenn wir ein gesundes Vertrauensgefühl entwickelt haben, werden wir uns selbst, den Menschen und dieser Welt vertrauen und werden das Leben als ein Individuum, das sich vollkommen fühlt, an sich selbst glaubt und Verantwortung übernehmen kann, ausleben. Wenn wir dieses Grundgefühl jedoch nicht auf eine gesunde Art und Weise entwickeln, werden wir Schwierigkeiten haben, Menschen zu vertrauen. Wir werden stets denken, dass die Welt ein unzuverlässiges Ort ist und werden den Rest unseres Lebens immer mit diesem Glauben gestalten und als abhängige, unvollkommene und vertrauenslose Menschen leben.

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