Herr Strobl, können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Gerne. Ich bin Unternehmer und Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien, das ist die sozialdemokratische Fraktion in der Wirtschaftskammer Wien. Und ich bin Vizepräsident der Wirtschaftskammer Wien und Abgeordneter zum Wiener Landtag, damit vertrete ich die vielen Wiener Ein-Personen-Unternehmen und Klein- und Mittelbetriebe bei ihren Interessen und Herausforderungen in der Wirtschaftskammer Wien und in der Stadt Wien.
Warum sollen Selbstständige an der WK-Wahl teilnehmen?
Ganz einfach, damit sich für sie etwas ändert und sie spürbar entlastet werden. Nehmen wir zum Beispiel die Wirtschaftskammer. Die Kammer hat noch dieselbe Struktur wie vor Jahrzehnten. Das kostet viel Geld und wir alle zahlen dafür. Wir wollen die Wiener Selbstständigen dadurch entlasten, indem wir ihre Grundumlage um die Hälfte senken und die Sparten in der Wirtschaftskammer ersatzlos streichen. Das kann Selbstständige um bis zu 1.500 Euro pro Jahr entlasten. Nur wer an der Wirtschaftskammer-Wahl teilnimmt, entscheidet darüber, was mit seinen Beiträgen passiert und welche Leistungen er dafür von der Wirtschaftskammer Wien erhält.
Was wird bei der Wirtschaftskammer-Wahl gewählt?
Die Wiener Unternehmerinnen und Unternehmer wählen bei der Wirtschaftskammer-Wahl ihre direkte Fachgruppen-Vertretung, also zum Beispiel die Vorsitzende der Wiener Friseure oder den Vorsitzenden der Wiener Gastronomie. Das ist die Ebene, die sich wirklich um die Anliegen der Selbstständigen kümmert. Deshalb möchten wir die Fachgruppen auch finanziell besser ausstatten.
Wie hoch ist die Beteiligungsquote unter Personen mit Migrationshintergrund?
Es nehmen leider generell viel zu wenige Unternehmerinnen und Unternehmer an der Wirtschaftskammer-Wahl teil. Dabei ist es wichtig, dass möglichst viele Selbstständige ihre Vertretung in der Wirtschaftskammer wählen.
Was haben migrantische UnternehmerInnen vom SWV?
Als SWV Wien sind wir da, um UnternehmerInnen, insbesondere jene mit Migrationshintergrund, bei Problemen zu beraten und zu unterstützen. Wir geben ihnen einen Raum, damit sie sich untereinander vernetzen und austauschen können. Wir informieren sie beispielsweise bei Veranstaltungen über bestehende Förderungen oder über Gesetze und Vorschriften, die sich geändert haben. Jede und jeder kann hier gerne vorbeikommen und sich einbringen. Wir tragen dazu bei, dass sie ihr Unternehmen nachhaltig aufstellen und ihren Weg erfolgreich fortführen.
Was möchte der SWV für migrantische UnternehmerInnen in der Wirtschaftskammer verändern?
Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund sind für den Wiener Wirtschaftsstandort eine wichtige Säule. Sie leisten einen maßgeblichen Beitrag für die Wiener Wirtschaft, indem sie für sich selbst und für andere Arbeitsplätze schaffen. Sie sollten daher auch das Recht dazu haben, sich für ihre Branche und ihre Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Derzeit dürfen das aber nicht alle. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund dürfen bei der Wirtschaftskammer-Wahl zwar ihre Vertretung wählen, aber selbst nicht gewählt werden. Wir wollen das ändern. Alle Mitglieder der Wirtschaftskammer müssen bei der Wahl kandidieren dürfen. Die Wirtschaftskammer muss hier ein deutliches Zeichen für Internationalität setzen
Was muss für UnternehmerInnen mit geringen Einkünften getan werden?
Sie müssen vor allem finanziell spürbar entlastet werden. Während Angestellte Schutz und Unterstützung bei Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft erhalten, sind Selbstständige mitunter vollkommen auf sich allein gestellt. Im Krankenstand müssen Selbstständige von 900 Euro im Monat leben. Das ist Sozialhilfeniveau. Die Familie und der Betrieb müssen dann mit 30 Euro am Tag auskommen. Die SVA zahlt das Krankengeld aber nicht gleich, sondern erst nach 43 Tagen Krankenstand. Wir wollen, dass das Krankengeld auf 60 Euro pro Tag verdoppelt wird und ab dem vierten Tag ausbezahlt wird. Und wenn jemand ein schlechtes Jahr hat, dann sollte er bei einem Gewinn bis 1.000 Euro pro Monat vom SVA-Beitrag befreit werden. Das entlastet viele Unternehmerinnen und Unternehmer um bis zu 3.000 Euro im Jahr.
Was sind die Hauptprobleme der türkisch stämmigen Bevölkerung im Zusammenhang mit Selbstständigkeit und was sind Ihre Vorschläge?
In der Gründungsphase und im Ausbau der Projekte gibt es oftmals Probleme, weil viele nicht wissen, welche Förderungen und Beratungen angeboten werden. Deshalb ist es uns besonders wichtig, hier einen Austausch zu schaffen. Über bestehende Förderungen muss einfach besser informiert werden. Außerdem gründen viele Unternehmerinnen und Unternehmer häufig ein Ein-Personen-Unternehmen, ihre Lebensrealität ist oftmals sehr prekär. Die Einkünfte sind oft niedrig und wenn sie endlich etwas verdient haben, sind überhöhte SVA-Beiträge fällig. Im Krankheitsfall sind Selbstständige dennoch schlecht abgesichert. Wir fordern hier wie gesagt die Verdoppelung des Krankengelds und die Abschaffung des Selbstbehalts beim Arztbesuch. Türkisch stämmige Unternehmerinnen und Unternehmer verdienen eine gute soziale Absicherung und faire Bedingungen. Das gilt beim Thema Mieten genauso wie bei der Digitalisierung. Mietverträge sollten mindestens drei Jahre dauern und Internet-Riesen müssen endlich dazu verpflichtet werden, sich an Regeln zu halten und Steuern zu zahlen. Dazu ist es wichtig, dass sich türkisch stämmige Selbstständige bei uns engagieren und für uns kandidieren, so wie es bereits viele ihrer Kolleginnen und Kollegen tun.
Was würden Sie türkisch stämmigen Arbeitgebern empfehlen?
Ich rate allen Unternehmerinnen und Unternehmern sich zu vernetzen und sich politisch für ihre Anliegen einzusetzen. Wir geben hierfür gerne den Raum.
Möchten Sie hiermit Arbeitgebern mit Migrationshintergrund eine Nachricht weitergeben?
Ich möchte mich bei allen Unternehmerinnen und Unternehmern mit Migrationshintergrund für ihre unermüdliche Arbeit bedanken! Und ich möchte diese Chance dazu nutzen, sie zu bitten, an der Wirtschaftskammer-Wahl in Wien von 3. bis 5. März 2020 teilzunehmen und damit den SWV und ihre Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Wir unterstützen gerne dabei, eine Wahlkarte zu erhalten. Bei Fragen kann man sich jederzeit an unser Büro wenden.