Obwohl die Frage der Integration von Muslimen immer wieder Thema im öffentlichen Diskurs ist, sind kaum repräsentative Daten zu Einstellungen gegenüber Muslimen in der österreichischen Bevölkerung vorhanden. Der Soziale Survey Österreich hat deshalb 2018 erstmals eine ausführliche Messung von Einstellungen gegenüber Muslimen vorgenommen. Diffuse Ängste vor Terrorismus, Integrationsherausforderungen bei muslimischen Gruppen und die Fluchtbewegungen der letzten Jahre schüren Ängste vor dem Islam, die mit verstärkten Vorurteilen einhergehen. Kritische Haltungen gegenüber dem Islam sind mittlerweile in Österreich weit verbreitet.
Zwei Drittel der ÖsterreicherInnen sehen ChristInnen überwiegend positiv und auch gegenüber BuddhistInnen und Menschen ohne religiösen Glauben überwiegen positive oder neutrale Einstellungen. Ein etwas kritisches Stimmungsbild zeigt sich gegenüber HinduistInnen und Juden, hier weisen weniger als ein Drittel der ÖsterreicherInnen explizit positive Haltungen auf. Bei Muslimen sinkt die positive Sichtweise der Religionsgruppe auf 25% und die negativen Urteile steigen deutlich an. Über ein Drittel der ÖsterreicherInnen steht Muslimen negativ
gegenüber. Zur näheren Betrachtung der Einstellungen gegenüber Muslimen wurden 11 Indikatoren verwendet. Die Zielsetzung der verwendeten Skala war, Ängste vor Terrorismus zu erheben und auf Wahrnehmungen einer kulturellen Bedrohung Bezug zu nehmen. Zusätzlich sind Muslime in vielen europäischen Ländern mit strikten Forderungen nach kultureller Anpassung konfrontiert und es wird häufig deren Rückständigkeit im Vergleich zur europäischen Gesellschaft hervorgehoben. Diese Tendenzen zeigen sich tatsächlich in der österreichischen Bevölkerung. Nahezu 90% der ÖsterreicherInnen sind der Ansicht, dass sich Muslime an unsere Kultur anpassen müssen, rund 80% treten für eine stärkere Beobachtung islamischer Gemeinschaften ein und 60% befürchten, dass unter den Muslimen Terroristen sind.
Knapp 70% der Bevölkerung sind der Überzeugung, dass der Islam nicht in die westliche Welt passt, nur ein Viertel nimmt den Islam als kulturelle Bereicherung wahr. Etwa zwei Drittel der Befragten sehen das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Unterdrückung muslimischer Frauen und finden, dass dies in Schulen verboten werden sollte. Derartige Tendenzen des Ethnozentrismus können schlussendlich auch mit diskriminierenden Haltungen einhergehen. Somit besteht die Gefahr, dass die in Österreich bereits lange etablierte Religionsfreiheit von MuslimInnen Einschränkungen erfährt. In Hinblick auf gezielte rechtliche Einschränkungen ist die österreichische Bevölkerung jedoch gespalten. Etwa die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass in Österreich keine Moscheen gebaut werden sollten, weil auch muslimische Länder christliche Kirchen nicht akzeptieren. Die leichte Mehrheit der Bevölkerung meint auch, dass die Ausübung des Glaubens stärker reglementiert werden müsse. Rund 5% treten explizit dafür ein, die Rechte von Muslimen einzuschränken. Kritische Sichtweisen gegenüber dem Islam sind also in Österreich insgesamt stark ausgeprägt, es bestehen jedoch erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen soziodemographischen Gruppen. Zur Aus den 11 Indikatoren wurde ein Durchschnittswert zu kritischen Haltungen gegenüber dem Islam gebildet.3
Wir sehen, dass Frauen geringfügig islamkritischer eingestellt sind als Männer. Starke Unterschiede zeigen sich nach Altersgruppen, Bildung und Einkommen, wobei Personen über 75 Jahre, LehrabsolventInnen und Personen in niedrigen Einkommenskategorien das höchste Ausmaß an Kritik am Islam äußern. Auch subjektive Gefühlslagen und Werthaltungen beeinflussen die Haltung gegenüber Muslimen. So geht ein generelles Misstrauen gegenüber Mitmenschen und das Gefühl, weniger zu verdienen, als einem zusteht, mit fremdenfeindlichen Haltungen einher. Kritische Haltungen gegenüber dem Islam sind vor allem bei FPÖ-WählerInnen offenkundig, auch NichtwählerInnen, WählerInnen der ÖVP und tendenziell auch SPÖ-AnhängerInnen sind eher kritischeingestellt. In Bezug auf Religiosität zeigt sich, dass besonders säkulare, aber auch tief religiöse Menschen eine tolerantere Sichtweise vertreten. Generell ist eindeutig zu sehen, dass kritische Haltungen gegenüber dem Islam in Österreich weit verbreitet sind und nur noch in wenigen Gruppen überwiegend positive Haltungen gegeben sind. Es sind dies junge Erwachsene, Personen mit tertiärer Bildung, die WählerInnen der Grünen Partei sowie Personen, die generell ein hohes Vertrauen in Mitmenschen aufweisen und das Gefühl haben, im Vergleich zu anderen mehr als den gerechten Einkommensanteil zu bekommen.
Die kritischen Haltungen zu MuslimInnen in Österreich zeigen, dass eine differenzierte Perspektive auf bestehende Integrationsherausforderungen von größter Wichtigkeit ist. Die Ansicht, dass der Islam generell nicht zu Europa passe, wird der Vielfalt der Lebensrealitäten in der islamischen Welt und in Österreich sowie auch der Dynamik kultureller Entwicklungen nicht gerecht. Nur durch Aufklärung statt Stimmungsmache und durch wechselseitigen Dialog statt Ausgrenzung kann kulturelle Verständigung erreicht und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden.
Kontaktinfo:
Assoz. Prof. Dr. Wolfgang Aschauer, Abteilung Soziologie und Kulturwissenschaft, Universität Salzburg,
wolfgang.aschauer@sbg.ac.at, 0662/8044-4105
Quelle:Uni Salzburg