Abhängigkeitserkrankungen von Alkohol über Tabak bis hin zu illegalen Drogen, Medikamenten und Glücksspiel dargestellt
Wie kann suchterkrankten Menschen geholfen werden? Was brauchen die Betroffenen und ihre Angehörigen? Welche Maßnahmen und Angebote sollen geschaffen oder ausgebaut werden? Diesen Fragen geht das neue Tiroler Suchtkonzept 2022-2032 nach. „Sucht ist eine schwere Erkrankung, die behandelbar ist“, stellt Soziallandesrätin Gabriele Fischer eingangs fest. „Wir müssen die mit einer Suchterkrankung oft einhergehende Stigmatisierung überwinden – denn diese schadet den betroffenen Menschen, verstärkt Suchtprobleme und behindert die Hilfsmaßnahmen.“
Das Thema Sucht sei ein Querschnittsthema, das verschiedene politische Bereiche und fachliche Disziplinen betrifft. „Es braucht daher eine zielgerichtete Steuerung präventiver Maßnahmen und eine bedarfsgerechte Versorgung mit entsprechenden Angeboten für suchterkrankte Menschen“, betont Gesundheitslandesrätin Annette Leja. „Besonders wichtig sind Angebote, die sich am Bedarf und an den Zielgruppen orientieren, um die betroffenen Menschen gut unterstützen zu können.“ Dazu zählen stationäre und ambulante Angebote, aber auch Beratungs- und Hilfsleistungen, die auf spezifische Altersgruppen ausgerichtet sind.
Konsum von Alkohol und Tabak sinkt, Anstieg bei Kokainkonsum
Auf rund 150 Seiten wurden im neuen Tiroler Suchtkonzept 2022-2032 vom Land Tirol in Zusammenarbeit mit der Gesundheit Österreich GmbH, dem nationalen Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen, die rechtlichen Rahmenbedingungen, strategischen Grundlagen, aber auch die im Suchtbereich relevanten Gremien dargestellt. Ein großer Teil des Tiroler Suchtkonzeptes widmet sich den verschiedenen Abhängigkeitserkrankungen, von Alkohol über Tabak bis hin zu illegalen Drogen, Medikamenten und Glücksspiel. Schließlich werden Empfehlungen zu Suchtprävention, Suchthilfe und Sicherheit dargelegt.
„Zwar weisen einige Indikatoren auf einen Rückgang des Alkoholkonsums in Österreich hin, doch trinken rund 15 Prozent der Tirolerinnen und Tiroler in einem gesundheitsschädigendem Ausmaß Alkohol“, zeigt Martin Busch, Abteilungsleiter Kompetenzzentrum Sucht, Gesundheit Österreich GmbH und Autor des Tiroler Suchtkonzepts 2022-2032 auf. Auch der Tabakkonsum ist seit 2014 zurückgegangen – waren es vor acht Jahren noch 21 Prozent der TirolerInnen, die täglich Zigarette geraucht haben, so sind es aktuell 18 Prozent. „45.500 Tiroler Raucherinnen und Raucher haben 2019 erfolglos versucht, das Rauchen aufzugeben“, berichtet Busch. Ein Anstieg ist im Bereich des Kokainkonsums zu verzeichnen – dies zeigt sich bei Anzeigen, Abwasseranalysen, dem Drug-Checking und im Behandlungsbereich. „Allerdings steigen immer weniger Jugendliche in einen risikoreichen Drogenkonsum von Opioiden ein“, so Busch. Mit rund 1.200 Personen befindet sich über die Hälfte der von Opioidsucht betroffenen TirolerInnen in einer Substitutionsbehandlung. Was den Medikamentenkonsum betrifft, so nehmen sieben Prozent der Tirolerinnen und vier Prozent der Tiroler fast täglich Schlaf- oder Beruhigungsmedikamente, 11 Prozent im Alter von 65 plus. Stoffungebundene Suchterkrankungen sind Glücksspiel und Sportwetten. Österreichweit wurde 2015 bei rund einem Prozent der Bevölkerung im Alter von über 15 Jahren ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten festgestellt. „Drei von vier der gegen Spielsucht behandelten Personen sind Männer“, informiert Busch.
Auf Basis des Tiroler Suchtkonzepts aus dem Jahr 2012 wurden Empfehlungen für die drei Interventionsfelder Suchtprävention, Suchthilfe und Sicherheit erarbeitet. „Einige Maßnahmen haben wir adaptiert, andere – aufgrund von neuen Entwicklungen – ergänzt“, erklärt Christian Haring, Mitglied der Expertisegruppe und Medizinischer Geschäftsführer der tirol kliniken. „Für Menschen mit Alkohol-, Tabak- und Medikamentenproblemen soll es etwa eine verbesserte Einbindung der Hausärztinnen und Hausärzte im Rahmen der Versorgung sowie eine spezialisierte Akutstation geben. Eine neue Empfehlung ist darüber hinaus die Etablierung und Umsetzung eines Konzeptes zur Unterstützung des Rauchausstiegs.“ Für Menschen mit problematischem Drogenkonsum empfiehlt die Expertisegruppe die Sicherstellung eines niederschwelligen Zugangs zu medizinischer und pflegerischer Versorgung sowie die Schaffung eines diversifizierten stationären Therapieangebots. Dazu gehört auch der flächendeckende Ausbau der Substitution. „Die Substitutionsbehandlung ist die wichtigste Behandlungsmethode bei Opioidabhängigkeit und wird bisher primär im Zentralraum angeboten. Im Tiroler Suchtkonzept 2022-2032 empfehlen wir daher, Substitution in allen psychiatrischen Ambulanzen oder, wenn es diese im Bezirk nicht gibt, psychosozialen Einrichtungen anzubieten.“ Neben der Zieldefinition der unterschiedlichen Maßnahmen legt die Expertisegruppe im Suchtkonzept die Indikatoren für eine erfolgreiche Umsetzung fest. „Außerdem verweisen wir bei allen Empfehlungen auf die entsprechenden Zuständigkeiten und gesetzlichen Grundlagen, damit eine strukturierte Umsetzung möglich ist“, führt Haring aus.
„Ich bin davon überzeugt: Suchtprobleme können nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller bewältigt werden – ganz nach dem Credo, das sich durch meine gesamte Regierungsverantwortung zieht: Miteinander sind wir füreinander da. Denn Tatsache ist: Menschen mit Suchterkrankungen befinden sich in einer Notlage – ihnen muss rasch geholfen werden. Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, diese Personen nicht alleine zu lassen, sondern sie zu begleiten und sie in unsere Mitte zu holen“, betont LRin Fischer. Für eine erfolgreiche Suchtstrategie sei die Suchtprävention eine essentielle Maßnahme, die bereits im Schulalter ansetzen muss und sich durch die Lebensumfelder Familie, Jugendarbeit, Gemeinde und Arbeitswelt ziehen soll. „Niederschwellige Anlaufstellen ergänzen die Sensibilisierungsarbeit und stehen schon im Vorfeld bei einer sich abzeichnenden Suchterkrankung zur Verfügung, wenn Menschen bemerken, dass sie ihr Suchtverhalten nicht mehr alleine in den Griff bekommen“, weist LRin Fischer auf das breite Hilfsangebot hin. Da eine Suchterkrankung auch mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Wohnung einhergehen kann, gibt es auch entsprechende Angebote im Bereich des Wohnens und der Tagesstruktur.