Europa läuft abgelenkt von zahlreichen anderen Krisen mitten in ein
Problem, das zu einer entscheidenden Zukunftsbremse werden dürfte:
der Mangel an Arbeitskräften.
Europa und Österreich stehen zunehmend vor einem demografischen Problem – und das kommt insbesondere für Bevölkerungswissenschaftler und vorausschauende Ökonomen ganz und gar nicht überraschend. Diese Entwicklung wurde bisher allerdings von der Politik oft bewusst ignoriert: Zuwanderung und der Glaube, dass man es wohl eher mit dem Verlust von Arbeit zu tun bekommen wird – Stichwort Digitalisierung – haben dazu geführt, dass bislang kaum Gegenmaßnahmen getroffen wurden. Dabei sieht man die Auswirkungen selbst dann, wenn man nicht unmittelbar an seinem Arbeitsplatz betroffen ist. Der Fachkräftemangel ist längst zum Arbeitskräftemangel mutiert – die Stellenangebote und Anwerbeaktionen von Arbeitgebern laufen in klassischen und digitalen Medien!
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass wir aus dieser herausfordernden Entwicklung nicht so schnell herauskommen werden. Wir brauchen also kluge Lösungen. Dafür gibt es zwei naheliegende Hebel, die wir bedienen sollten: Anreize für mehr Leistung und eine qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt.
In Österreich arbeitet nur ein Teil der erwerbsfähigen Bevölkerung. Wir haben eines der niedrigsten durchschnittlichen Pensionsantrittsalter in Europa. Nur ungefähr ein Drittel der 60- bis 64-Jährigen ist berufstätig und kaum jemand, der älter ist als 65. Auch nicht in Berufen, die gar nicht mit körperlicher Arbeit verbunden sind und das angesichts längerer Lebenserwartung und häufig längerer Gesundheit. Nach dem offiziellen Pensionsantrittsalter, oder aus der Teilzeit- in die Vollzeitarbeit zu wechseln ist schlicht nicht attraktiv, da viele Anreize zu einem frühen Pensionsantritt unverständlicherweise nach wie vor bestehen. Diesmal wartet aber keine Schar an Babyboomern, um die entstehende Lücke dankbar zu füllen. Zusätzlich sind nach wie vor (zu) wenige Frauen in Österreich voll berufstätig. Die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen ist mancherorts beschämend. Es gehört dringend etwas getan – jedoch beißt sich hier die Katze in den Schwanz, denn auch in der Elementarpädagogik fehlt es an (Vollzeit-)Personal, die im Kindergarten tätig sind.
Wir brauchen also dringend Anreize, länger und mehr zu arbeiten. Leistung soll sich wieder lohnen, fordert die Industrie schon lange mit Nachdruck. Das allein wird jedoch nicht reichen. Im Bereich der qualifizierten Migration muss es Österreich besser als bisher gelingen, Menschen strategisch und gezielt anzuziehen und im Land zu halten. Entgegen der ursprünglichen Intention werden im aktuellen Asylsystem Migration, qualifizierte Zuwanderung und humanitäres Asyl mitei-nander vermischt. Eine Trennung wie in Kanada, das als einwanderungspolitisches Vorbild gilt, würde Klarheit in der Migrationspolitik schaffen und dem Fach- und Arbeitskräftemangel positiv entgegenwirken.