Während Experten Routinen als eine Art Feind des Gehirns bezeichnen, sagen sie, dass auch die Auswahl der einfachen Lösung im Falle eines Problems dazu führt, dass die begrenzte Anzahl von Nervenzellen im Gehirn weniger aktiv ausgenutzt wird. Menschen, die an ihren Routinen festhalten, kämpfen später mit mehr Vergesslichkeit, kognitiven Problemen, Depressionen und Angstzuständen. Sich die Probleme anderer anzuhören, ist ebenfalls gut für das Gehirn.
Spezialistin für Neurologie und Neurowissenschaft
Doz. Dr. Selen GÜR ÖZMEN
Das Gehirn bevorzugt Routinen aus evolutionär bedingten Gründen und geht oft den einfachen Weg, damit sich der Mensch sicherer fühlt. Dies führt dazu, dass die begrenzte Anzahl von Zellen im Gehirn weniger aktiv genutzt wird und schränkt die Verbindungsmöglichkeiten dieser Zellen untereinander ein. Mit diesem Verlust ist man dann nicht ausreichend mit Nervenzellen und Verbindungen ausgestattet, wenn man eines Tages mit einer Schadensituation zu kämpfen hat. Durch das Überschreiten der Routinen-Grenzen werden synaptische Verbindungswege zwischen Gehirnzellen und Neuronen vermehrt, je mehr diese Wege geöffnet und genutzt werden, desto besser ist es für das Gehirn.
Andererseits bewahrt die Verwendung verschiedener kognitiver Funktionen in verschiedenen Zusammensetzungen die Aufrechterhaltung des Gedächtnisses, die Verbesserung der Fähigkeit zur Problemlösung und die kognitiv flexible Struktur. Es gibt eine Situation namens „Theorie des Gedächtnisses“, die es uns ermöglicht, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dies wird durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen und durch eine soziale Integration erreicht. Wichtig ist auch, die Planungs- und Organisationsfähigkeit ständig aktiv zu halten. Mit anderen Worten, wenn all diese kognitiven Funktionen regelmäßig ausgeführt werden, hat das Gehirn eine viel bessere Grundlage, um auftretende Probleme einfacher zu lösen und Verbindungen herzustellen, wenn in Zukunft eine unerwartete Situation auftritt und dies die Routine überschreitet. Routine ist in diesem Sinne nicht gut. Menschen, die von ihren Routinen nicht abweichen, werden viel eher von Konsequenzen wie mehr Vergesslichkeit, kognitive Probleme, im früheren Alter Probleme mit Schwierigkeiten im Leben zurechtzukommen und eine höhere Anfälligkeit für Depressionen und Angstzuständen betroffen sein. Eine aktivere Nutzung des Gehirns hilft sich sowohl von psychischen als auch von neurologischen Erkrankungen fernzuhalten.
Den Problemen anderer Menschen zuzuhören erhöht die Gehirnfunktion …
Eine kognitive Flexibilität ermöglicht es in verschiedenen Situationen unterschiedliche Lösungen zu finden. Wenn eine vorher funktionierende Lösung nicht mehr funktioniert, besteht ja auch die Möglichkeit, eine neue Alternative zu finden oder bei einem anderen Problem helfende Lösung anzuwenden, um das Problem unter dem Vergleich mit einer anderen Problemsituation zu beseitigen.
Kognitive Flexibilität ist hierbei die Fähigkeit, in der Lage zu sein, notwendige Schritte schneller und ohne die Notwendigkeit anderer auszuführen. Veränderungen bezüglich Arbeit, Schule, Wohnung etc. oder Veränderungen wie eine Trennung vom Ehepartner bzw. Lebenspartner sind ebenfalls wichtige Veränderungen im Leben eines Menschen. Sich an all diese Umstände anpassen zu können, wird kognitive Flexibilität bezeichnet. Menschen, die sich allerdings nicht an neu auftretende Umstände anpassen können, können als unflexible Personen bezeichnet werden. Schließlich gibt es viele Alternativen im Leben. Durch Zuhören der Erfahrungen anderer Menschen, so wie das Lesen und Beobachten verschiedener Dinge besteht die Möglichkeit, Lösungen zu finden, ohne diese verschiedenen Umstände erleben zu müssen. Erfahrungsberichte anderer Personen, wie diese einen Konflikt oder ein Problem gelöst haben und das Lernen und Verinnerlichen aus diesen Berichten wird dazu führen, über eine bereits bestehende Erfahrung zu verfügen, wenn man selber mit ähnlichen Situationen konfrontiert wird und einen Lösungsweg aus mehreren verschiedenen Alternativen auswählen muss.
Körperliche Aktivitäten unterstützen das Gedächtnis …
Während sich die Lernbereitschaft vor dem Schlafengehen und in ruhigen Zeiten eher in geringem Maß hält, steigt die Kreativität in aktiven Momenten. Menschen verfügen über ein sympathisches und ein parasympathisches Nervensystem. Das sympathische Nervensystem ist der Kampf- oder Fluchtmechanismus. Es ist also der Mechanismus, der uns im Falle einer Konfrontation mit einem Konflikt dazu verleitet, entweder zu kämpfen oder zu fliehen oder aber auch zu erstarren. Das parasympathische Nervensystem ist das System des „Verarbeitens und der Erholung“. Normalerweise ist es der Prozess nach dem Essen, bei dem die Verdauungszellen die Organe aktivieren und mit der Verdauung beginnen. Dieser Prozess verläuft unbewusst. Die Zeiten, die zum Lernen geeignet sind, sind Situationen, in denen mehr Aufmerksamkeit besteht und eine leichte Gefahr herrschen. Daher sind tägliche körperliche Aktivitäten genau die Zeiträume, die sehr fördernd für das Gedächtnis, für geistige Bewegung, Lernfähigkeit, bewusste Funktion, Aufmerksamkeit und für Problemlösungsfähigkeiten sind und während denen Ideen und Lösungen in den Sinn kommen. Zudem haben sie auch Vorteile für den Körper und der inneren Organe. Deshalb ist körperliche Bewegung eigentlich auch für geistiges Training zu empfehlen.