Nationalrat: SPÖ und FPÖ wollen mögliche Bevorzugung ÖVP-naher Milliardäre überprüfen

Kurzdebatte im Nationalrat über Untersuchung von „systematischer Zweiklassenverwaltung“ im „COFAG-Untersuchungsausschuss“

Wien (PK) – SPÖ und FPÖ nutzten die heutige Nationalratssitzung, um ein gemeinsames Verlangen auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einzubringen. Gegenstand soll eine etwaige bevorzugte Behandlung von Personen sein, denen ein Vermögen von zumindest einer Milliarde Euro zugerechnet werden kann und die die ÖVP etwa durch Spenden unterstützt haben oder um deren Unterstützung von der ÖVP geworben wurde. Der Fokus der Untersuchungen soll insbesondere auf der COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) liegen sowie deren Zahlungen an der Volkspartei nahestehenden Milliardäre. Der zu untersuchende Zeitraum soll sich laut Verlangen vom 18. Dezember 2017 bis 23. November 2023 – dem Tag des Einbringens des Verlangens – erstrecken.

In der gleichen Sitzung brachte die ÖVP ein Verlangen auf einen „ROT-BLAUEN Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“ ein. Dabei will die Volkspartei die Regierungszeiten von SPÖ und FPÖ zwischen 2007 und 2020 hinsichtlich Vergabe von Inseratenschaltungen, Medienkooperationsvereinbarungen, Umfragen, Gutachten, Studien und Aufträgen an Werbeagenturen unter die Lupe nehmen.

Kurzdebatte: Untersuchungsausschuss vs. Untersuchungsausschuss

Im Plenum betonte Kai Jan Krainer (SPÖ), einer der Einbringer des Verlangens, dass die übergeordneten Ziele des COFAG-Untersuchungsausschusses den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetzt betrifft und die Frage, ob dieser auch für Milliardäre bzw. der ÖVP nahestehende Personen gilt. In letzte Zeit hätte die Bevölkerung erfahren müssen, dass dies nicht immer der Fall sei, wie er unter Verweis auf die im Verlangen erwähnten Milliardäre René Benko und Siegfried Wolf kritisierte. Unter anderem diese hätten „exklusive Tipps und Unterstützung“ aus dem Finanzministerium zum Zwecke der Steuervermeidung erhalten. Im verlangten Untersuchungsausschuss solle nun geklärt werden, ob es sich dabei um Einzelfälle gehandelt habe oder eine systematische Bevorzugung im Rahmen einer „Zweiklassenverwaltung“.

Erst ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs habe die parlamentarische Untersuchung der COFAG und ihrer Auszahlungen ermöglicht, erklärte Krainer, wobei der Rechnungshof bereits teilweise „massive Überförderungen“ festgestellt habe. Neben der COFAG solle sich der Untersuchungsausschuss „ergebnisoffen“ auch den im Verlangen angeführten Beweisthemen widmen: „Informationsweitergabe und Informationen“, „Kooperationen staatsnaher Unternehmen mit ÖVP-nahen Milliardären“ und „staatliche Aufsicht“. Alle vier Bereiche seien unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz zu durchleuchten, so Krainer.

Die Untersuchung der COFAG werde seitens der ÖVP begrüßt, da sie überzeugt sei, dass diese gute Arbeit geleistet und wesentlich zur Bewältigung der COVID-19-Krise beigetragen habe, entgegnete Andreas Hangar (ÖVP). Er bemängelte jedoch, dass der Untersuchungsgegenstand nur eine bestimmte Gruppe einschließe, was dessen Definition verfassungswidrig mache und ebenfalls dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Hanger forderte, „das gesamte Spektrum“ der COFAG-Förderungen zu durchleuchten und verwies auf das von seiner Partei in der gleichen Sitzung eingebrachte Verlangen auf einen „ROT-BLAUEN Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“ in dem die Untersuchung auf die Einflussbereiche von SPÖ und FPÖ ausgeweitet werden soll. So sprach Hanger beispielhaft den ehemaligen SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer an, der nur drei Wochen nach dem Ende seiner Amtszeit einen gut bezahlten Beratervertrag bei René Benkos Signa-Holding unterzeichnet habe.

Christoph Matznetter (SPÖ) bezeichnete die Möglichkeit, einen Untersuchungsausschuss zu verlangen, als Teil des „vornehmsten Rechts der Opposition“, die Regierung zu kontrollieren. Dies sei insbesondere gerechtfertigt, als es sich bei der Einrichtung der COFAG um einen der „dubiosesten Vorgänge der Republik“ handle. Dass die ÖVP nun einen eigenen Untersuchungsausschuss einsetzen möchte, schade der Demokratie insgesamt, da der Eindruck erweckt werde, alle Parteien wären „ethisch und moralisch“ gleich einzustufen. Matznetter bestritt dies energisch.

Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses durch FPÖ und SPÖ sah Christian Hafenecker (FPÖ) als Notwendigkeit und Konsequenz aus dem „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“, der zu früh „abgedreht“ worden sei, um sich eingehend mit der COFAG zu beschäftigen. Die COFAG stelle ein „Symbol“ dafür dar, wie der „tiefe Staat Marke ÖVP“ funktioniere. Auch Hafenecker sah die Einsetzung eines eigenen Untersuchungsausschusses durch die ÖVP als „Peinlichkeit für eine noch staatstragende Partei“ an.

Wenn von Untersuchungsausschüssen die Rede sei, dürfe auch über die Rolle von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nicht geschwiegen werden, warf Nina Tomaselli (Grüne) ein. Dieser stehe wegen Ermittlungen gegen seine Person aber auch aufgrund seines „unpräsidialen Verhaltens“ im Rahmen der letzten Untersuchungsausschüsse in der Kritik. Sobotka müsse sich laut Tomaselli die Frage stellen, ob er eine Aufklärung befürworte, oder der Aufklärung als Vorsitzender der Untersuchungsausschüsse im Weg stehen wolle. Generell dürfe die Kontrolle als eine der Grundaufgabe des Parlaments nie parteitaktisch ausgeübt werden. Es gehe um „penibelste Aufklärung“ – insbesondere auch der Rolle René Benkos, so Tomaselli.

NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak sah die österreichische Politik generell in einer „massiven Vertrauenskrise“. Das Bild, das der Bevölkerung vermittelt werde, sei „unerträglich“. Dieses sei jedoch nicht erst jüngst entstanden, sondern über Jahrzehnte aufgebaut, kritisierte Scherak. Anstatt aus vergangenen Skandalen zu lernen und endlich Reformen umzusetzen, würden sich ÖVP, SPÖ und FPÖ gegenseitig „mit Dreck bewerfen“, was das Vertrauen in die Politik immer weiter schwinden lasse. Scherak plädierte für Reformen unter anderem des Parteiengesetzes und im Korruptionsstrafrecht.

Am Ende der Nationalratssitzung blieb die FPÖ mit ihrem Antrag, dem Verfassungsausschuss eine Frist zur Behandlung ihres Antrags zu setzen, in der Minderheit. Dies betraf die FPÖ-Forderung nach einer Verfassungsänderung, die die Abwahl von Nationalratspräsident:innen ermöglichen solle. (Schluss Nationalrat) wit

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