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Haben sich Liebesbeziehungen während der Coronavirus-Pandemie weiterentwickelt oder aufgelöst?

Mit jedem vergehenden Tag machen wir uns Gedanken, schließen dabei unsere Augen und fragen uns: „Was habe ich denn normalerweise vor der Coronavirus-Pandemie um diese Zeiten gemacht?“ Wir rufen uns unsere vorherigen Urlaube, berufliche Ausbildungen, Einkäufe, Dinge, die wir gemacht haben, um Spaß am Leben zu haben, also kurzum alles Mögliche von damals in unser Gedächtnis. Doch wie sieht es mit unseren Beziehungen aus? Haben sich unsere Liebesbeziehungen während der schweren Pandemie-Zeit weiterentwickelt oder eher aufgelöst?

Psychiaterin
Dr. Esra UĞURLU KOÇER

Liebe ist in allen Phasen des Lebens eines der unabdingbaren Grundgefühle des Menschen. Wenn auch wir bei der logischen Betrachtung romantischer Liebesbeziehungen keinen logischen Ursache-Ergebnis-Zusammenhang darlegen können, können wir an nichts anderes denken, als die Beziehung voll und ganz zu leben, wenn wir einmal verliebt sind. Liebe ist ein unersetzbares Gefühl, dessen Mangel sich in unserem Leben meistens spüren lässt, wenn es nicht vorhanden ist. Zugleich ist Liebe auch ein Verhalten der Vollendung, dass wir als den Anfang unseres Glücks betrachten…

Liebe während der Pandemie ist etwas anderes …
Mit der Pandemie haben zum einen das unersetzbare und unabdingbare Gefühl der Liebe und somit auch unsere Beziehungen eine sehr bedeutende Veränderung erfahren. Beziehungen, die beginnen oder zu Ende gehen, Paare, die sich zum ersten Mal mit ihren sehr persönlichen Seiten neu entdecken, Paare, die realisieren, dass sie sich zuvor wohl gar nicht wahrhaftig gekannt haben, Paare, deren gegenseitige Liebe stärker wird, Paare, deren gegenseitiger Hass auf einmal überwiegt …

Paare, die zusammen Leben haben begonnen, sich gegenseitig zu sehen, zu entdecken und kennenzulernen, da Beziehungen sich aufgrund der Änderungen im Haushalts- und Alltagsleben während der Pandemie reformiert haben. Die Besitzergreifung in Beziehungen und der Beschützerinstinkt haben sich gesteigert. Menschen sind gegenüber ihren Geliebten nun weitaus gewissenhafter, verständnisvoller und beschützender, da sich inzwischen neben der Angst vor einer Infektion sich mit dem Virus zu infizieren, auch die Angst entwickelt hat, die geliebte Person zu verlieren. In vielen Beziehungen hat sich das Gefühl des Vertrauens gesteigert. Menschen haben nun begonnen, ihre Enttäuschungen gegenüber ihren Partnern bei Seite zu legen und es wertzuschätzen, ihre Geliebten bei jeder Gelegenheit fest zu umarmen und ihre Beziehungen zu stärken.

Ist die Liebe auf Entfernung tatsächlich die schönste Liebe?
Liebe ist kein Gefühl, das immer Hand in Hand, Auge in Auge und in der stetigen Gegenwart des Partners erlebt werden kann. Die Lieder, die wir uns seit Jahren anhören und die Romane, Gedichte und Erzählungen, die wir lesen, haben uns immer dazu verleitet Liebe; als Fernbleiben von der geliebten Person, das unmögliche Wiedersehen, das Lieben, obwohl ein Wiedersehen nicht möglich ist, das Leiden und als die Unmöglichkeit an andere Personen zu denken, zu definieren. Ist dies denn in Wirklichkeit tatsächlich so? Haben Personen begonnen, während der Pandemie-Zeit ihre Partner, die sie vorerst nicht sehen konnten, noch mehr zu lieben, haben sie sich noch mehr zueinander gebunden gefühlt oder wurde ihre Liebe noch bedeutsamer als zuvor? Zum Begriff der „Liebe auf Entfernung“ wurde nun mit der Pandemie ein neuer Begriff hinzugefügt, nämlich der Begriff der „Zwanghaften Liebe auf Entfernung“… Wir wissen, dass manchmal bestimmte Dinge in unserem Leben auf gezwungenermaßen auftreten und diese die Auseinandersetzungen innerhalb von Beziehungen reduzieren; vor allem dann, wenn von diesen Gegebenheiten die beteiligten Personen nicht verantwortlich gemacht werden können. Einige Situationen, die vor der Pandemie insbesondere bei Fernbeziehungen zu Problemen geführt haben, wurden nun zu Normalität in Beziehungen. Die Geduld hat sich erhöht, der Drang nach Kontrolle hat sich reduziert, eine gewisse Art und Weise der Akzeptanz hat sich manifestiert und die Wellen der Liebe haben sich gelegt …

Liebe mit „Sicherheitsabstand“
„Sicherheitsabstand“ ist auf dem ersten Blick eine einfache Definition, die aus zwei Wörtern besteht. Nun ist das denn für alle Menschen so? Denken wir denn darüber nach, wer in welcher Form davon beeinflusst wird? Der „Sicherheitsabstand“ ist für Personen, die alleine Leben eine weitaus bedeutsamere Definition. Während zuvor die Möglichkeiten zur Arbeit zu gehen, sich abends mit Freunden zu treffen, eine Organisation, ein Konzert zu besuchen oder zu tanzen, bestanden und somit Gelegenheiten für eine gesunde und nachhaltige Kommunikation geschaffen waren, änderten sich mit der Einführung von Heimarbeit und Einschränkungen auf einmal alle Gewohnheiten.

Was auf sozialen Medien erlebt wird, bleibt auf sozialen Medien
Seit über 20 Jahren werden wir Zeugen davon, dass Beziehungen über verschiedene Plattformen auf sozialen Netzwerken entstehen können und mittlerweile ermutigen wir uns sogar dazu, solchen Beziehungen eine Chance zu geben. Mit dem Beginn der Pandemie haben sich die Spielregeln hierbei komplett geändert.

Vor der Pandemie blieb alles, was auf sozialen Medien erlebt und ausgetauscht wurde, auf den sozialen Medien; man konnte sich mit anderen Personen unterhalten, Videoanrufe durchführen, aber es wurden, da es einem sicherer vorkam, stets belebte Orte, um sich dann mit der Person zu treffen, bevorzugt. Diese Handhabung war gängig bis zum Auftreten des Covid-19. Nun aber sind wir mit einem Alltagsleben konfrontiert, in dem der Begriff „belebte Umgebung“ fast schon nicht mehr existiert. Dies wiederum führte dazu, dass das Aufbauen des Vertrauens, das für eine Beziehung notwendig ist, erschwert wurde. Fragen wie „Kann ich dich in meinen Vertrauenskreis aufnehmen? Ich kann dir zwar über den Bildschirm vertrauen, aber kann ich dir auch vertrauen, wenn ich mit dir alleine Zeit verbringe?“, treten vermehrt auf und es kommen Gedanken wie „Alleine bin ich zumindest in Sicherheit, ich kann noch eine bestimmte Zeit auf eine Beziehung warten“ hoch. Allerdings haben auch hier Bedingungen wie das Alleinsein für eine lange Zeit zu einer Unfähigkeit eine Beziehung auf Vertrauensbasis aufzubauen geführt. Das gestiegene Bedürfnis nach Berührung und körperlicher Nähe und das Gefühl der Einsamkeit, dass sich mit dem Andauern der Pandemie immer weiter steigert, hat begonnen die Hoffnungen der Menschen auf gesunde Beziehungen zu schwächen. Hoffen wir, dass wir nächstes Jahr die Pandemie hinter uns haben und am 14. Februar einen Valentinstag verbringen, an neue Hoffnungen in uns aufblühen und wir die Liebe in vollen Zügen spüren können.

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