Ein Interview mit dem Lehrbeauftragten Herrn Dr. Yaşar Aydın von der Evangelischen Hochschule in Hamburg über die Wahlen in Europa und türkischen WählerInnen, insbesondere von Österreich und die Rolle der politischen Parteien in der Türkei über die Wahlen in Europa.
Brücke Magazin: Aus welchem Grund kam es zur Strukturierung der politischen Parteien der Türkei in Europa? Was sind die Vor- und Nachteile?
Diese Strukturierung besteht seit den 1970er Jahren. Es ist sehr schädlich, da ein Teil der in Europa lebenden TürkInnen, türkische StaatsbürgerInnen sind und bei den Wahlen der Türkei das Recht zu wählen und gewählt zu werden haben und sich für die türkische Politik interessieren. Sie haben auch sehr vielseitige und oft strukturierte Beziehungen zur Türkei. Das führt dazu, dass die türkischen Parteien für die WählerInnen in Europa ein großes Interesse zeigen. Daher ist es unmöglich und nicht richtig, dies zu verhindern. Diese Situation hat jedoch auch Konsequenzen für sie, wie das Desinteresse und die Distanzierung von der Politik der Länder, in denen die TürkInnen leben. Wenn die notwendige Sensibilität gezeigt wird, um dies zu verhindern, dann wird die Existenz der türkischen Parteien in Europa kein großes Problem darstellen.
Brücke Magazin: Welche Aktivitäten bieten diese Strukturen für Migranten an und welche Vorteile haben sie für die Zielgruppe?
In erster Linie finden in diesen Strukturen Aktivitäten hinsichtlich der politischen Agenda der Türkei, der Organisation von Meetings und Kampagnen mit der Türkei, Gedenkveranstaltungen und Unterstützung bei den Wahlen statt. Wir können beobachten, dass sich die politischen Cluster der Türkei fast eins zu eins hier widerspiegeln.
Brücke Magazin: Wir beobachten, dass die türkischen Migranten sich mehr für die Politik der Türkei als wie die des Landes, in dem sie leben interessieren. Die WählerInnen gehen in dem Land, in dem sie leben nicht wählen, hingegen nehmen sie bei den Wahlen der türkischen Parteien trotz des Verlustes ihrer Staatsbürgerschaft teil, die sie auch in der Türkei unterstützten. Wie haben sich diese politischen Strukturen auf das Zugehörigkeitsgefühl zu dem Land, in dem die MigrantInnen leben und ihrer Entwicklung ausgewirkt?
Meiner Meinung spielgelt die These, dass solche Organisationen und Aktivitäten das Zugehörigkeitsgefühl der Türkischstämmigen, in dem Land, in dem sie leben, verhindert, nicht ganz die Realität wider. Ich glaube, dass im Gegenteil die Gleichgültigkeit der Politik und Parteien des Landes, in dem sie leben ein wichtiger Faktor dafür ist. Das Zugehörigkeitsgefühl ist ein vielschichtiges und kompliziertes Thema. Es sei kein wahrer Ansatz, dies auf ein einziges Ereignis, der Existenz der türkischen Parteien einzuschränken. Wenn wir von dem Beispiel aus dem Deutschland ausgehen, so können wir sagen, dass die türkische Wählerschaft sei es politisch und kulturell nicht vertreten wird. Obwohl die Mehrheit der TürkInnen in kultureller Hinsicht konservativ sind, kann man sowohl am Bundesrat als auch Landtag keine Abgeordneten konservativer Herkunft finden. Man kann sagen, dass von türkischen Abgeordneten erwartet wird, dass sie mehr als eine Repräsentation, als ein Vorbild fungieren.
Brücke Magazin: Wie haben diese politischen Strukturen den Blickwinkel der europäischen & politischen Entscheidungsträger (Behörden), andere Politiker und auch der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Migrationspolitik beeinflusst?
Es hat einen großen Teil der Öffentlichkeit und der Entscheidungsträger negativ beeinflusst. Die Bedenken, dass aus der Türkei nach Deutschland die Probleme und Spannungen importiert und unter den türkischstämmigen Gruppen sich Konflikte auslösen werden, haben für Unruhen gesorgt. Nach der Integrationspolitik von Deutschland ist stellt Bindung der TürkInnen an die Türkei sowie das damit verbundene Zugehörigkeitsgefühl ein entscheidendes Hindernis zur Integrierung in Deutschland dar. So lässt sich das aktuelle Paradigma zusammenfassen.
Brücke Magazin: Wie der internationalen Presse widerspiegelt wurde, dass Personen und Organisationen im Namen der politischen Parteien der Türkei, Aktivitäten durchführen, dadurch gegen die souveränen Rechte und Verfassung verfassungswidrig handeln und Geheimdienstaktivitäten wahrnehmen, behauptet. Wie ist Ihre Beurteilung zu diesem Thema?
Es wurde behauptet, dass sie in dieser Angelegenheit Geheimdienstaktivitäten gegen einige religiöse Organisationen durchgeführt hätten. Diese Behauptungen schadeten den TürkInnen, die in den Ländern wie Deutschland oder Österreich leben sowie die bilateralen Beziehungen. In diesem Zusammenhang bemerkt man, dass die notwendige Sensibilität nicht gezeigt und es nicht professionell behandelt wurde. Es ist jedoch zu beachten, dass die eskalierenden Wettbewerbe auf internationaler Ebene sich in den nachrichtdienstlichen Tätigkeiten auch widerspiegeln. Ein Beispiel wäre, dass die USA den Politikern und Entscheidungsträgern in Deutschland abgehört habe. In diesem Rahmen kann man auf Ebene der geheimdienstlichen Tätigkeiten von Russland, die als hybride Kriegsführung wahrgenommen wurde, nennen. Wie in jedem Land führt auch die Türkei Geheimdienstaktivitäten sowohl im In- als auch Ausland durch. Der Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass solche Aktivitäten hier in Deutschland offener für die Kontrolle des Parlaments stehen.
Brücke Magazin: Haben politische Parteien in Europa solche Strukturierungen in anderen Ländern? Wenn ja, haben diese Strukturen eine Verwendung für Geheimdienstaktivitäten oder zur Manipulation der Innen- und Außenpolitik und wurden Handlungen gesetzt, die gegen die Verfassung und souveränen Rechte rechtswidrig waren?
Zum Beispiel haben deutsche Parteien Stiftungen, die im Ausland tätig sind. Diese ermöglichen es, die Politik und Gesellschaft des betreffenden Landes noch mehr kennenzulernen und die Entwicklungen genauer zu verfolgen. Wir können diese Stiftungen und ihre Aktivitäten im Ausland auch als zweites informelles diplomatisches Netzwerk betrachten. Die deutschen Stiftungen in der Türkei erfüllen z. B. eine wichtige Brücke zwischen den beiden Ländern. Es gibt keine soliden, nachgewiesenen Informationen darüber, inwieweit sie in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten involviert sind. Daher bin ich der Meinung, dass man damit sorgfältig umgehen muss, ohne konkreten Informationen, Spekulationen zu diesem Thema zu machen, würde die Stiftungen unter Verdacht stellen.
Dr. Yaşar Aydın
Lehrbeauftragter an der Evangelischen Hochschule in Hamburg