FÜR ERFOLGREICHE EHEN MÜSSEN WIR GESUNDE PERSONEN ERZIEHEN.

Auf der Seite bezüglich der Ehe unserer Ausgabe in diesem Monat haben wir uns mit Ahmet Yılmaz, klinische Psychologe, über das Zugehörigkeitsgefühl in der Ehe sowie weitere darauf basierende Unterthemen unterhalten. Viel Freude beim Lesen…

Was würden Sie sagen, wenn wir nach dem Zugehörigkeitsgefühl in der Ehe fragen würden?

In letzter Zeit ist dies vielleicht eines der Themen, über die am meisten gesprochen wird. Die Ehe ist ein Prozess, der mit der Eheschließung beginnt. Nun, was geschieht danach? Leider gibt es in den letzten Jahren vermehrt Paare, die kurz vor der Scheidung stehen oder mit einer Scheidungsentscheidung zu uns kommen. Wenn wir uns die Frage stellen: „Warum kommen Paare zu diesem Punkt, wo haben sie Probleme?“, sehen wir, dass Persönlichkeitsmerkmale, die vor der Eheschließung individuell geschaffen werden, wirksam sind. Wenn wir uns in der Ehe als Individuen akzeptieren, das heißt, wenn wir so herangehen wie „Ich habe meine eigenen Vorlieben, Wünsche, Dinge, die ich mag und nicht mag und mein Gegenüber hat ebenfalls diese Rechte. Es gibt auch Situationen, die er mag und nicht mag“ sehen wir, dass die Ehe besser verläuft. Was wird für diese Einstellung benötigt? Empathie, emotionale Intelligenz, Emotionen beschreiben, die Gefühle des anderen verstehen und respektieren. Diese Begriffe müssen wir zunächst selbst verinnerlichen. Wenn ich einschätzen kann, wie mein Ehepartner in diesem Moment dieses Ereignis aufgefasst hat, wenn ich ihre Gefühle spüren kann, wenn ich zum Beispiel mein Gegenüber mein Verständnis zeigen kann, indem ich sage: „Du scheinst heute gelangweilt zu sein, du scheinst traurig zu sein oder ich glaube, das gefällt dir gerade nicht.“, hat bereist die Liebe und der Respekt zwischen den beiden Ehepartnern begonnen. Wir unterscheiden das, was wir emotionale Intelligenz nennen, von logischer Intelligenz. Mit anderen Worten, der Mensch mit emotionaler Intelligenz kann Empathie entwickeln, sich seiner eigenen Gefühle bewusst sein, dem Gegenüber verstehen und entsprechend der Situation handeln. Dazu muss ein Mensch sich zunächst selbst kennen, über seine positiv-negativen Eigenschaften bewusst sein und seine Fähigkeiten und Kompetenzen kennen. Wenn er sich auf sich selbst konzentriert, kann er diese Eigenschaften entwickeln.


Ist das nicht genau das, dass als Vorbereitung für eine Ehe bezeichnet wird? Ist es nicht wichtig, zuallererst sich selbst mit den Vor- und Nachteilen gut zu kennen und das Einfühlungsvermögen zu stärken?

Genau diese Reife zu erreichen ist sicherlich das, was wir als „reif Erwachsen“ bezeichnen. Leider kommt die Reife nicht mit dem Alter. Lassen Sie mich ein Beispiel aus unserer Klinik geben; uns besuchen Menschen im Alter von 35-40 Jahren mit ihren Ehepartnern. Laut den Personalien ist der Klient 40 Jahre alt, aber er weist eine Persönlichkeitsstruktur auf, die in der Adoleszenz feststeckt und kindisches Verhalten zeigt. Leider führen diese Konditionen zu Schwierigkeiten in den Ehen.


Wenn wir unsere Kinder bei der Erziehung daran hindern, sich im Kindesalter von uns zu trennen, ein Individuum zu werden, das auf eigenen Füßen steht und seine Verantwortung erfüllt, kann dieses Kind später kein gesundes Eheleben führen. Wenn es erwachsen ist, wird es die gleiche Fürsorge erwarten und nicht bereit sein, eine Verantwortung zu übernehmen. Deshalb kommt es des Öfteren vor, dass Ehepartner uns mitteilen: „Ich bin verheiratet, aber es fühlt sich so an, als wäre ich mit einem Kind verheiratet. Er/ Sie übernimmt keine Verantwortung und ist immer noch sehr abhängig von seiner/ ihrer Familie.“ Hier müssen Familien mit folgendem Gedanken Verantwortung übernehmen: „Wir müssen unseren Kindern die Möglichkeit geben, sich von uns zu trennen. Nach einer gewissen Zeit werden sie zu selbstständigen Individuen, das müssen wir akzeptieren. Wenn sie heiraten, sind sie eine zweiköpfige Familie. Sie haben eine Ehe geschlossen und sind jetzt ein eigenes soziales Gefüge. Wir müssen diese Grenze so gut wie möglich schützen.”


Das Konzept der Kernfamilie ist in unserem Land sehr verbreite und wir profitieren sehr von ihren Vorteilen. Allerdings gibt es auch einige Nachteile. Das ständige Eingreifen der älteren Familienmitglieder und ihre Mitsprache bei jedem Thema, das ständige Einbringen von Ideen und Kommentare von außen verursachen Konflikte zwischen den Ehepartnern.

Es gibt Paare, die uns erzählen; „Wir haben uns gestritten und haben es unseren Familien erzählt, nun spiegelt sich die Situation auch in unseren Familien wider. Dann haben wir das Problem zwischen uns doch gelöst und wollen nun die Ehe fortsetzen, aber jetzt lassen uns unsere Familien die Ehe nicht weiterführen, sie möchten, dass wir uns scheiden lassen.“


Das zu eindringliche Verhalten der Eltern während der Kindererziehung, das Entziehen von Verantwortung von den Kindern und die permanente Unterstützung des Kindes führt dazu, dass das Kind in seiner zukünftigen Leben Probleme haben wird, nicht wahr?

Natürlich, Probleme treten sowohl in der Ehe und als auch im Arbeitsleben auf. Ich erzähle z.B. Probleme, die ich mit dem Manager oder dem Chef auf meiner Arbeit habe, welches ich eigentlich selber lösen müsste, meinen Eltern. Ich bitte sie um Hilfe. Das Gleiche gilt dann auch für Probleme in der Ehe. Wenn die Fähigkeit zur Problemlösung nicht in der Kindheit entwickelt wurde, fallen demjenigen Fertigkeiten wir Umgang mit negativen Gefühlen, Toleranz gegenüber negativen Situationen im Erwachsenenalter nicht in den Schoß. Wir lernen diese Dinge in unserer Kindheitsphase. Wenn wir dann erwachsen werden, sind wir bereits ein erfahrener Problemlöser. Wenn wir auf ein Problem stoßen, können wir es ohne Panik lösen. Dies gilt auch für die Ehe. Wenn wir gesunde Menschen erziehen, entstehen gesunde Ehen, und wenn die Ehen gesund sind, wachsen gesunde Menschen aus dieser Ehe. Es ist eigentlich ein immer wiederkehrender Kreis.


Seien Sie nicht die Eltern Ihres Ehepartners!

In manchen Ehen kann eine der Parteien sehr dominant, unterdrückend und einmischend sein. Wenn dann die andere Partei dem Partner in einem Moment zustimmt, an dem die Gefühle am intensivsten sind, beginnt diese Partei sich nach einer Weile in der Beziehung sehr unwohl zu fühlen. Diese Situation führt dazu, dass aus der Beziehung eine Eltern-Kind-Beziehung wird. Manchmal sage ich zu den Ehepartnern: „Jetzt haben Sie offiziell die Rolle der Mutter oder des Vaters Ihres Ehepartners eingenommen. Sie haben begonnen, über Ihren Partner zu regieren.“ Daraufhin stimmt der Gegenüber mir zu und sagt: „Ja er/ sie reagiert wie meine Mutter.“ Hier muss sich der dominantere Ehepartner etwas mehr zurückhalten und den Ansatz, dass dies das eigene Anliegen nicht des Gegenübers ist, verinnerlichen.


Was wären Ihre Empfehlungen an Ehepaare?

Wenn die Konflikte zu unlösbaren Streit-Punkten werden, kann Hilfe von einer professionellen Person gesucht werden. Das ist keine Schande und auch nichts Schlimmes. Es gibt Paare, die in der Scheidungsphase zu uns kommen und dann sehr glücklich weitermachen. Wir versuchen an den von uns durchgeführten Paartherapien das Bewusstsein zu entwickeln. Personen erkennen ihr eigenes falsches Verhalten nicht, in den Therapien unterstützen wir die Personen dabei, dies zu erkennen. Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass das Problem, das als „das Problem des Gegenübers“ betrachtet wird, nicht nur aufgrund des Partners besteht, sondern auch an der Person selbst liegt.

Lösen Sie Ihre Probleme eigenständig untereinander!

Eine weitere Empfehlung meinerseits ist, dass Sie Ihre Probleme untereinander lösen. Denn wenn wir Probleme auf Dritte übertragen, gerät die Situation außer Kontrolle, insbesondere, wenn der Dritte eine Person ist, der das Thema noch weiter anheizen kann.


Ich vertraue dir

Ein weiteres Thema ist Vertrauen. Es ist wichtig, dem Gegenüber das Gefühl zu geben, ihm/ ihr zu vertrauen. Der Partner sollte sich durch dieses Gefühl verantwortlich gegenüber Sie fühlen und sich denken „mein Partner vertraut mir, ich darf ihm/ sie nicht enttäuschen“. Außerdem ist es auch notwendig, Gefühle wie „das erwartet mein Partner nicht von mir“ zu vermitteln. Heutzutage haben Begriffe wie Vertrauen und Loyalität leider nicht mehr die Bedeutung, wie sie einst hatten. Fragen wie „Kann diese Person eine gesunde Ehe führen und ein guter Familienvater werden?“, haben sich mit materialistischen Gedanken ausgetauscht. Die Menschen schauen sich quasi nur den Lebenslauf ihrer zukünftigen Ehepartner an und wenn dies zufriedenstellend ist, gehen sie davon aus, dass eine Ehe mit dieser Person funktionieren kann. Leider tragen heutzutage auch die Mütter zu dieser Situation bei und nach der Eheschließung ergeben sich dann viele verschiedene Konflikte.


Wenn wir Kinder erziehen, schauen wir uns ihre Zeugnisse und Noten an und bewerten sie anhand dieser als erfolgreich oder nicht erfolgreich. Wir schenken seiner Haltung im Klassenzimmer, seiner Beziehung zu seinen Freunden und zu seinem Lehrer keine Beachtung. Wir interessieren uns auch nicht dafür, ob die Haltung der Kinder in der Gesellschaft und zu Hause sich den Normen entspricht. Ich unterrichte z.B. auch an der Universität. Früher wurde vor dem Betreten des Klassenzimmers immer an die Tür geklopft und um Erlaubnis gebeten, heute öffnet der Student die Tür und tritt kopfüber in das Klassenzimmer ein. In solchen Situationen fordere ich den Studenten auf, rauszugehen, über den Fehler nachzudenken, den er gemacht hat und danach wiederreinzukommen. Nach zehn Minuten kommt jedoch der Student rein und erklärt, dass er nicht weiß, was er für ein Fehler er gemacht hat. Mit anderen Worten, diesem Kind wurde von der Familie nicht mitgegeben, dass diese Art und Weise des Betretens eines Klassenzimmers respektlos und nicht angebracht ist. Leider haben Familien begonnen, sich auf Erfolg statt auf Begriffe wie Respekt und Loyalität zu konzentrieren. Solange die Erziehung erfolgsorientiert geschieht, verlieren für Kinder Begriffe über die wir sprechen, an Bedeutung. Da das Kind durch diese Begriffe keinen Wert empfindet, konzentriert es sich auf konkrete Begriffe.

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