Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesell-schaften liegt im öffentlichen Interesse
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Beschwerden von türkischen Staatsangehörigen, die als von der Republik Türkei für den Auslandsdienst entsandte Seelsorger (Imame) in Österreich tätig waren und wegen dieser Tätigkeit aus gewiesen wurden, abgewiesen. In ihrer Beschwerde hatten sie Bedenken gegen das im Islamgesetz 2015 geregelte Verbot der Auslandsfinanzierung von Religionsgesellschaften, das der Begründung ihrer Ausweisung zugrunde liegt, erhoben.
Der Gerichtshof stellte fest, dass die Art und Weise der Aufbringung der Mittel für die Finanzierung der Tätigkeiten gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften von ihrer Religionsfreiheit nach der Menschenrechtskonvention (Art. 9 EMRK) geschützt ist. In diese Freiheit
greift § 6 Abs. 2 Islamgesetz 2015 zwar ein, indem die Möglichkeiten der Finanzierung der Tätigkeiten im Schutzbereich des Grund-rechtes beschränkt werden, doch ist diese Maßnahme nicht als unverhältnismäßig zu beurteilen: Die Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften vom Staat, aber insbe-sondere auch von anderen Staaten und deren Einrichtungen, bildet ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel.
Dieses Regelungsziel hat ein Gewicht, das die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Islamgesetz 2015 im Hinblick auf Art. 9 Abs. 2 EMRK rechtfertigt. Der Verfassungsgerichtshof legt dabei der Bestimmung in einer die Verfassungskonformität wahrenden, einschränkenden Auslegung ein Verständnis bei, demzufolge sie lediglich Zuwendungen von Seiten anderer Staaten und deren Einrichtungen verbietet, nicht jedoch Zuwendungen durch ausländische Private, die nicht geeignet sind, die Selb-ständigkeit und Unabhängigkeit der Kirche oder Religions-gesellschaft zu beeinträchtigen.