Ein Teil der Stadt? Situation junger wohnungsloser Menschen in Wien

Ein Teil der Stadt? Situation junger wohnungsloser Menschen in Wien

Wien (OTS) Verband Wiener Wohnungslosenhilfe zeigt mit Situationsbericht 2023 zentrale Herausforderungen im Bereich Wohnungslosenhilfe auf und stellt wesentliche Forderungen an die Stadtpolitik

Wien – Heute präsentierte der Verband Wiener Wohnungslosenhilfe seinen Situationsbericht 2023 im Rahmen einer Pressekonferenz – Im Fokus stand insbesondere die Gruppe junger, wohnungsloser Menschen. Diese hat spezielle Bedürfnisse, wie z.B. eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive, Stabilität und sozialen Rückhalt, die aktuell häufig nicht vom System erfüllt werden. Besonders hervorzuheben sind die sogenannten Care Leaver. Das sind jene jungen Menschen, die mit dem Erreichen ihrer Volljährigkeit ihren bisherigen Anspruch auf Kinder- und Jugendhilfe verlieren und somit oftmals in prekäre Wohnsituationen oder die Obdachlosigkeit entlassen werden.

Angebotsstrukturen schaffen

Erfahrungen, die im jungen Erwachsenenalter gemacht werden, prägen den weiteren Lebensweg maßgeblich. Umso tragischer ist der hohe Anteil von rund einem Drittel junger Erwachsener in der Wiener Wohnungslosenhilfe.

Die Gründe für ihre Wohnungslosigkeit sind so vielfältig wie ihre Problemlagen und Bedürfnisse. Auf der Suche nach leistbarem, adäquatem Wohnraum scheitern sie oft aufgrund bürokratischer Hürden, mangelnder Erwerbstätigkeit, fehlender sozialer Unterstützungsnetze und ihren finanziellen Möglichkeiten.

Seitens der Wiener Wohnungslosenhilfe gibt es kaum Unterstützungsangebote, die auf die Lebensrealitäten junger Menschen ausgerichtet sind. „Wenn wir junge Menschen in Krisensituationen nicht verlieren und ihnen einen Weg aus der Wohnungslosigkeit bieten wollen, so müssen wir sie dort abholen wo sie stehen und nicht versuchen sie in Angebote zu pressen, die für sie nicht geeignet sind“, erklärt Andreas Gampert, stv. Geschäftsführer Diakonie Flüchtlingsdienst und Diakonie Eine Welt Sozialdienst.

Er führt weiter aus: „Es braucht daher einen niederschwelligen Zugang, ein stabilisierendes Wohnangebot, die Möglichkeit beim Scheitern zurück zu kehren, kontinuierliche, nachgehende Beziehungsarbeit, Unterstützung beim Erlernen von Alltagskompetenzen und Angebote, die Raum und Zeit für Persönlichkeits- und Perspektivenentwicklung bieten.“

Rechtsanspruch auf Betreuung für Care Leaver bis 24 Jahre

Junge Erwachsene ziehen in Österreich mit durchschnittlich 25 Jahren bei den Eltern aus. Care Leaver, die zuvor von der Kinder- und Jugendhilfe betreut wurden, müssen diese Hürde früher nehmen. In der Regel schon mit 18 Jahren. „Von einem Tag auf den anderen müssen sie einen Alltag meistern, für den sie kaum oder unzureichend vorbereitet wurden. Die jungen Menschen werden ins kalte Wasser geworfen, aber niemand hat ihnen das Schwimmen beigebracht. Viele haben Schwierigkeiten, Anträge selbst zu stellen oder eine eigene Wohnung zu suchen. Es fehlt ihnen an ausreichend Begleitung bei der Bewältigung dieser Alltagsprobleme“, erklärt Roland Skowronek, Geschäftsleiter der Heilsarmee.

Seit kurzem besteht die Möglichkeit, zwischen dem 18. und 24. Lebensjahr bis zu 45 Beratungsstunden in Anspruch zu nehmen. „Das kann aber nur der Anfang sein. Es braucht mehr als 37 Minuten im Monat, um Care Leavern das Leben zu erklären. Eine Gesamtstrategie zur Begleitung beim Übergang von der Jugendhilfe in die Erwachsenenhilfe ist dringend notwendig“, unterstreicht Skowronek.

Zugang zu leistbarem Wohnen

„Der heimische Wohnungsmarkt nimmt zu wenig Rücksicht auf die Lebenslagen junger Erwachsener. Auch Wohnungen, die gefördert sind oder als ‚leistbar‘ gelten, können unerschwinglich sein, wenn man gerade erste Erfahrungen am Arbeitsmarkt macht, in Ausbildung ist oder mit wenig familiärer Unterstützung auskommen muss“, führt Elisabeth Hammer, Geschäftsführung neunerhaus aus.

So verbleiben viele junge Menschen in prekären Familienverhältnissen, beengtem Wohnraum und beschränkten Zukunftsperspektiven. Manchmal muss dann die Wohnungslosenhilfe als letztes Netz einspringen. Der Mangel an leistbarem Wohnraum kann und soll jedoch nicht durch die Wohnungslosenhilfe aufgefangen werden. „Das fördert die Ausgrenzung und ist keine nachhaltige Lösung für das Wohnungsproblem. Stattdessen ist zur Prävention und zur nachhaltigen Beendigung von Wohnungslosigkeit die Wohnpolitik gefordert“, betont Hammer.

Konkrete Forderungen des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe an die Politik

Der Verband Wiener Wohnungslosenhilfe fordert daher spezialisierte Angebote und den Einbezug von Lebensrealitäten junger Erwachsener in alle Angebotsstrukturen der Wiener Wohnungslosenhilfe.

Es bedarf eines Gesamtkonzeptes, das alle Bedarfslagen junger Erwachsener in multiplen Krisensituationen einbezieht und eine enge Zusammenarbeit von Wohnungslosenhilfe, Sucht- und Drogenkoordination, Kinder- und Jugendhilfe und Organisationen aus dem Bereich Gesundheit und Arbeitsmarktintegration. Außerdem fordert der Verband den Rechtsanspruch für Care Leaver auf Unterstützung sowie die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Betreuung bis zum 24. Lebensjahr.

Wien bietet ein großes Potenzial an verfügbaren Wohnungen. Der Verband Wiener Wohnungslosenhilfe fordert, dass dieses Potenzial mit mehr gemeinsamer Anstrengung auch für die Beendigung von Wohnungslosigkeit von jungen Erwachsenen genutzt wird.

Zur Fotogalerie (Fotos © Manfred Weis, Gruppenfotos © WRK/Markus Hechenberger, vlnr: Andreas Gampert, stv. Geschäftsführer Diakonie Flüchtlingsdienst, Elisabeth Hammer, Geschäftsführung neunerhaus, Roland Skowronek, Geschäftsleiter der Heilsarmee)

Zum Situationsbericht

Verband Wiener Wohnungslosenhilfe

Der Verband Wiener Wohnungslosenhilfe ist eine Kooperation aus den Mitgliedsorganisationen ARGE Wien, Caritas der Erzdiözese Wien, Diakonie Flüchtlingsdienst, Heilsarmee, neunerhaus, Samariterbund Wien, St. Elisabeth-Stiftung, Volkshilfe Wien, Wiener Hilfswerk, Wiener Rotes Kreuz und WOBES. Ziel der Verbandsarbeit ist die Unterstützung der Mitglieder in der Wohnungslosenhilfe und die Förderung der Qualität und des Ausbaus der Dienstleistungen.

Rückfragen & Kontakt:

Mag.ª Maria Meiböck
Heilsarmee
Leitung Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit
+43 660 326 6057
maria.meiboeck@heilsarmee.at

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