Vor 97 Jahren wurde von Atatürk und seinen Freunden am 29. Oktober 1923 die türkische Republik ausgerufen, was zahlreiche Vorteile für das türkische Volk mit sich brachte.
Diese Vorteile können wie folgt zusammengefasst werden:
Als das Osmanische Reich gegründet wurde, lebten in diesem Reich zunächst nur Türken. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte wurde das Reich größer und es lebten Griechen, Bulgaren, Serben, Albaner, Ungarn, Kroaten, Slowenen, Rumänen und Araber unter osmanischer Verwaltung. Das osmanische Reich verwandelte sich zu einem Vielvölkerimperium. Es war ein multireligiöser Staat, in dem Muslimen, Christen und Juden lebten. Mit der Ausrufung der Republik kam es zu einem Übergang von einer homogenen Gesellschaft in eine heterogene Gesellschaft auf Grundlage des türkischen Elements, es wurde ein zentralistischer Einheitsstaat und eine Kultur- und Schicksalsgemeinschaft geschaffen. Der Begriff „Türke“ symbolisierte nicht nur die Staatsbürgerschaft, sondern auch die Gleichberechtigung aller Bürger in der Türkei.
Mit der Gründung der türkischen Republik wurden Frauenrechte einschneidend verändert, sie wurden als Individuum anerkannt und konnten von nun an als Staatsangehörige das Wahlrecht ausüben, wodurch auch sie bei Wahlen wählen und gewählt werden durften. Im Jahr 1926 erließ das türkische Parlament ein neues Zivilgesetzbuch, das im selben Jahr in Kraft trat. Dieses Gesetzbuch war das Fundament für die Frauenrechte in der Türkei und bezweckte die rechtliche Gleichstellung zwischen Männern und Frauen. Die Polygamie wurde verboten und Zivilehe zur Norm etabliert, weiters wurde den türkischen Frauen die Freiheit zur Berufswahl gewährt und ihnen das aktive und passive Wahlrecht verliehen.
Das Osmanische Reich wies eine sehr hohe Analphabetenquote auf. Statistiken zeigen, dass im Jahr 1927 gerade einmal 10 % der türkischen Bevölkerung lesen und schreiben konnten. Dem türkischen Staatsgründer Atatürk war dieser Umstand bekannt, weshalb er im Jahr 1928 eine Bildungsrevolution startete, die mit der Umstellung von der arabischen auf die lateinische Schrift begann und den Zweck hatte, das Erlernen von Lesen und Schreiben zu vereinfachen. Aus diesem Grund wurden im ganzen Land für Erwachsene Schulen des Volkes (Millet Mektepleri) eröffnet, wodurch die 1935 die Alphabetisierungsrate verdoppelt werden konnte. Des Weiteren erhielten alle Staatsangehörigen unabhängig von ihrem Geschlecht das Recht auf Bildungsfreiheit, ferner wurde eine landesweite Bildungsinitiative gestartet. Eine Reihe von Reformen in den ersten Jahren der Republik legte den Grundstein für eine moderne Türkei, zu diesen zählten die Umstellung auf lateinische Buchstaben zur Bekämpfung des Analphabetismus, die Universitätsreform und auch die Reformen im Bereich der türkischen Sprache, Geschichte und Kultur.
Der Wechsel auf die republikanische Staatsform war die größte Errungenschaft für das türkische Volk, das Sultanat wurde abgeschafft und das Volk zum Souverän erklärt, das nun direkten Einfluss auf die Verwaltung im Land ausüben konnte. Mit der neuen Staatsform ändert sich auch die Haltung gegenüber dem Volk, denn jeder Bürger war nun gleichwertig und nicht mehr Untertan des Oberhaupts. Es galt nun das Prinzip der Volkssouveränität, die Staatsgewalt lag nun nicht mehr beim Sultan, sondern beim Volk. Es wurde das laizistische System ins Leben gerufen und eine laizistische Verfassung erlassen. Eines der wichtigsten Probleme, das wir heute haben, ist die unzureichende Anwendung des Laizismusprinzips in der Türkei. Über den Laizismus sagte Atatürk, dass der Laizismus nicht nur die Trennung zwischen Staat und Religion sei. Er führte weiter aus, dass Laizismus für ihn auch die Gewissensfreiheit und die Religionsfreiheit aller Bürger gewährleiste.
Die Republik ist eine Staatsform, bei der das Staatsoberhaupt als Repräsentant des souveränen Volkes von den Staatsangehörigen für eine im Gesetz festgelegte Zeit gewählt wird und mit bestimmten Kompetenzen ausgestattet wird. Der Wechsel auf die republikanische Staatsform ermöglichte die Abschaffung des Kalifats und das Verbot von religiösen Schulen, Orden und Brüderschaften. Es gab viele Neuerungen in verschiedenen Bereichen. Beispielsweise wurde das Nachnamengesetz erlassen, vor der Erlassung des Gesetzes verwendete man Spitznamen der Familien, von denen man sich nun verabschieden konnte. Mit diesem neuen Gesetz hatte nun jeder Bürger eine Identität und einen offiziellen Nachnamen. Eine weitere Neuerung war die Annahme der internationalen Maßeinheiten und Uhrzeiten.
Der heutige Unterschied zwischen der Türkei und den anderen Staaten, die nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches entstanden sind, ist die fortgeschrittene Entwicklung und die Lebensqualität der Türkei. Das türkische Volk konnte alle Hürden überwinden und entwickelte sich zu einer kultivierten Gemeinschaft, was nur dank des Staatsgründers Atatürk und seiner Freunde möglich wurde.
Abgesehen von sehr kleinen fanatischen Gruppen hat das türkische Volk kein Problem mit der republikanischen Staatsform und mit dem Staatsgründer Atatürk. Unser Volk ist mit der Republik und mit Atatürk zufrieden. Es gibt niemanden mehr, der sich das Sultanat zurückwünscht.
Ertuğrul Osmanoğlu wurde 1912 in Istanbul geboren und lebte später in New York, in den USA im Exil. Er war Mitglied der Dynastie des Hauses Osman, der Enkel von Sultan Abdülhamid II. und starb im Jahr 2009. Wäre es nicht zum Zerfall des Osmanischen Reiches gekommen, wäre der Thron von Ertuğrul Osmanoğlu bestiegen und das Kalifat fortgesetzt worden.
Im Jahr 2006 gab Ertuğrul Osmanoğlu der türkischen Tageszeitung Miliyet ein Interview, dabei tätigte er folgende Aussagen: „Jeder einzelne Türke und darunter auch ich ist dem Staatsgründer Atatürk sehr viel schuldig. Er ist der Retter des Vaterlandes. Die Republik zu gründen war eine richtige Entscheidung von ihm. Was uns wohl zugestoßen wäre, wenn es ihn nicht gegeben hätte, weiß nur Gott…
Die jungen Menschen sollen sich für den Laizismus und für die Einheit des Vaterlandes einsetzen. Das Sultanat, die Monarchie, das Kalifat und die Scharia gehören der Geschichte an. Sie sind nicht mehr möglich und nicht mehr zeitgemäß. So etwas würde mir ohnehin nicht in den Sinn kommen…“
Was ist dann der Grund für die politischen Spannungen und die Polarisierung, die in unserem Land herrscht?
Der Grund ist unserer Meinung nach folgender: Es ist der demokratische Streit zwischen jenen, die mit ihren Aussagen und Handlungen versuchen, die staatlichen Grundprinzipien zu verändern und jenen, die sich gegen die Teilung und Spaltung stellen, indem sie sich für Freiheiten und Menschenrechte für jeden Einzelnen einsetzen.
Die Republik haben wir Atatürk und seinen Freunden zu verdanken. Denn durch Atatürks Weisheit, Wissen, Kühnheit und seine Überzeugung wurde die Gründung der Republik erst möglich. In den letzten Jahren vor Atatürk herrschte die Meinung, dass die islamische Welt mit jeder Niederlage in die mittelalterliche Dunkelheit zurückkehre und je mehr dies geschähe, desto mehr verliere sie. Atatürk war derjenige, der diesen Teufelskreis brechen konnte. Indem Atatürk seinen Fokus auf die Vernunft und die Wissenschaft legte, die hinterfragende Mentalität entwickelte und indem er die Religion von der staatlichen Verwaltung trennte, ermöglichte Atatürk die Gründung der türkischen Republik. Atatürk ist der Name unserer nationalen Einheit, unserer unteilbaren Integrität, des Laizismus, unserer produktiven, nationalen und völlig unabhängigen Gemeinschaft, die ein ehrenwertes Mitglied der zivilisierten Welt sein möchte.
Schauen Sie, der amerikanische Historiker J. Mc Carthy sagte Folgendes über Atatürk: „Hätte es Atatürk nicht gegeben, würde es heute weder Türken geben noch würde die Türkei existieren. Wie lange hätte es denn gedauert, die Türken, die in den letzten 200 Jahren schon aus dem Balkan vertrieben wurden und dann durch den Vertrag von Sèrves in einen kleinen Teil Anatoliens gedrängt wurden, auch von dort zu vertreiben? Lange hätte es bestimmt nicht gedauert…
Das türkische Volk ist seinem Staatsgründer Atatürk sehr viel schuldig. Ohne Atatürk hätte es niemals einen türkischen Staat gegeben. Schauen Sie sich die in Bulgarien und in Mazedonien lebenden Türken an, die in Anatolien lebenden Türken hätten das gleiche Schicksal gehabt wie sie…
Ohne Atatürk hätte es vielleicht Türken in Zentralasien gegeben, aber gewiss nicht in Anatolien. Atatürk hat nicht nur die Türkei gerettet, sondern hat auch das türkische Volk vor ihrer Vertreibung aus Anatolien bewahrt…“
Folgendes darf niemals vergessen werden:
1. Atatürk ist der Grundwert der türkischen Republik. Wenn dieser Grundwert zerstört wird, wird auch der Staat zusammenbrechen und diejenigen, die den Staat zerstören wollen, bleiben unter den Trümmern dieser Zerstörung.
2. Atatürk ist der gemeinsame Wert dieses Volkes. Wenn sie versuchen, den gemeinsamen Wert des Volkes zu zerstören, könnte die Einheit und Solidarität des Volkes zerstört werden, was zu Spannungen und Brüchen innerhalb der Türkei führen und Spaltungen im Land entstehen lassen würde.
Zum 97. Jahrestag der Gründung der Republik sollten wir die Werte der Republik und ihre Gründer bewusster schützen.
Voller Sehnsucht und mit ewiger Dankbarkeit gedenken wir Mustafa Kemal und seinen Freuden, die dieses Land gerettet haben und ohne die dieses Land und diese Republik nie existiert hätten.
Mögen sie in Frieden ruhen.