Wir kämpfen nun schon seit bereits fast einem Jahr mit der Covid19-Pandemie, die unser Leben auf den Kopf gestellt hat. Zudem werden wir in einer Zeit, in der die Menschheit dies am wenigsten erwartet hat und sich am stärksten fühlte, mit einer Herausforderung konfrontiert, die uns bis jetzt schon über zwei Millionen Tote und fast 96 Millionen Infizierte gekostet hat. Aber, wie beeinflusst die Pandemie unsere Gefühlslage, wie meisterte die Menschheitsgeschichte Pandemieherausforderungen?
Die wohl geheimnisvollsten und schwersten Zeiten der Menschheitsgeschichte sind ohne Zweifel die Zeiten der tödlichen Pandemien. Diese Katastrophen hinterliessen wirtschaftliche, politische und sogar religiöse Aufspaltungen und beeinflussten zudem das Schicksal der jeweiligen Geografie.
Pandemie, Tod und Wirtschaftskrise
Die im Mittelalter als ‘’Unheil’’ bezeichneten Infektionskrankheiten wurden als göttliche Strafe für Sünden wahrgenommen. Eine der ersten bekannten Pandemien der Menschheitsgeschichte ist die Antonine Pandemie, die zwischen den Jahren 165 und 180 vorherrschte. In manchen Quellen tritt sie als Pest auf. Diese Pandemie ist allerdings als Masern- und Windpockenkrankheit bekannt. Die Infektionskrankheit, die fast 20 Jahre andauerte, führte zum Tod von etwa 15 Millionen Menschen und hatte eine große Wirkung auf den Untergang des Römischen Reiches. Die vor allem in der Arbeiter- und Produktionsschicht des Volkes auftretenden Todesfälle führten zu einer Wirtschaftskrise und die Gemütszustände, die aufgrund der Todesfälle auftraten und wurden der Grund für eine Hinterfragung religiöser Grundsätze durch das Volk. Es wurde damals behauptet, dass eine große Bewegung zwischen den heidnischen Religionen und den Religionen des Nordens und des Christentums stattgefunden hat. Die sogenannte ‘’schwarze Pest’’ wurde auf der Welt in drei große Wellen erfahren: Die erste Welle war die im Jahr 541 ausgebrochene justinianische Pest (Erste Pest). Im Jahr 1347 folgte die zweite Pest, welche als ‘’Schwarzer Tod’’ bekannt ist und die dritte dieser Wellen ist die im Jahr 1860 ausgebrochene Dritte Pest.
Die Spanische Grippe und ihre Folgen…
Eine der anderen weltbewegenden wichtigen Infektionskrankheiten ist die spanische Grippe, die zu eine der im 20. Jahrhundert erfahrenen größten Katastrophen zählt. Sie brach im Jahr 1918 in Kansas, Amerika auf und führte zum Tod von 50 Millionen Menschen weltweit. Auch wenn die spanische Grippe zwar nicht die Sieger des I. Weltkriegs festlegte, so führte sie dennoch zu einem frühzeitigen Ende des Krieges, da die Kräfte der Teilnahmeparteien durch die Kranhkeit stark beeinträchtigt wurden. Im I. Weltkrieg allein starben 8,5 Millionen Menschen, wohingegen durch die Grippe allerdings 50 Millionen Menschen starben. Unsere vertage Welt überstand im vergangenen Jahrhundert vier wichtige Pandemien: Die spanische Grippe, die Hong-Kong-Grippe, die asiatische Grippe sowie die Schweinegrippe. Die Großen und Mittleren
Infektionskrankheiten der Menschheitsgeschichte sind allerdings nicht mit diesen Grippen begrenzt. Es ist möglich, über weitere Pandemien wie z.B. Kolera, Ebola SARS, MERS etc. zu sprechen. Jede Einzelne dieser Infektionskrankheiten machte Millionen von Menschen krank und hinterließ Hunderttausende von toten und wichtige Veränderungen einer neuen Weltordnung.
Wir kämpfen gegen die Covid19-Pandemie
Wir werden in einer Zeit, in der die Menschheit dies am wenigsten erwartet hat und sich am stärksten fühlte, mit einer Herausforderung konfrontiert, die uns bis jetzt schon über zwei Millionen Tote und fast 96 Millionen Infizierte gekostet hat. Wie beeinflusst die Pandemie unsere Gefühlslage, wie meisterte die Menschheitsgeschichte Pandemieherausforderungen?
Angst, Sorgen, Befürchtungen, Hilflosigkeit, Todesangst und viele weitere Krankheiten, die Stress erzeugen, sind leider die zweitrangigen Gefahren, die wir aufgrund der Pandemie erfahren.
Die Theorie der Krisenbewältigung
Die Theorie der Krisenbewältigung, die durch Pyzszczyniski, Solomon und Greenberg auf der Basis von Freuds eros-tanatos (Lebens- und Todestriebe) und Ernest Beckers Begriff der „Ablehnung des Todes“ entwickelt wurde, besagt, dass Menschen eigentlich Angst vor dem Tod haben. Diese Verlustangst ist nicht nur im Bezug auf die Person selber. Auch der Tod einer nahestehenden Person (wie z. B. der Tod eines Familienmitgliedes) kann zu existenziellen Hinterfragungen führen. Der Mensch erfährt durch das Bewusstsein der Sterblichkeit einen existenziellen Widerspruch seines Selbst. Diese Tatsache führt neben Angst- und Sorgezuständen auch zu einem Zustand des Entsetzens. Dieses Gefühl des Entsetzens, das in Verbindung mit dem Tod erfahren wird, ist ein wichtiger Trieb für das Verhalten von Personen. Menschen haben Schwierigkeiten im Umgang mit diesem Widerspruch und der damit miteinhergehenden Nervosität.
Um sich zu schützen, versuchen sie deshalb diese Nervosität zu verarbeiten. Dieser Verarbeitungsprozess beinhaltet einen psychologischen Schutzmechanismus auf zwei Ebenen: Zum einen versucht sich der Mensch in diesem Fall mit dem Kulturgewebe, in welches er hineingeboren wurde noch mehr zu identifizieren und zum anderen erstrebt er mit einer kulturorientierten Lebensweise seinen persönlichen Selbstrespekt. Kulturelle Ansichten sind symbolische Wahrnehmungen, die der Existenz der Menschen einen Sinn verleihen. Auf der Mikroebene wären das beispielsweise die Familienwerte, der Familienfortbestand und die Verbundenheit zu Traditionen. Die Theorie der Krisenbewältigung befasst sich mit dem Tod und mit den häufigsten negativen Folgen des Todes. Daher verbinden sich Menschen sehr stark mit ihrer eigenen Kultur, ihren Glaubenssätzen, der Überlegenheit ihrer Rasse und ihrer Konservativität, um sich gegen den Tod zu stärken.
Die Theorie der Ungewissheitsbewältigung befasst sich im Rahmen der Pandemie mit Ungewissheiten, die aufgrund der Pandemieumstände entstehen. Folgende Fragen spielen hier die Schlüsselrolle: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung mit dem Virus? Wie wird der Verlauf der infizierten Person bei einer İnfektion sein? Wird die Krankheit irreversible Schäden hinterlassen? Wird unsere Gesundheit in Zukunft gewährleistet sein?Aufgrund einer Ungewissheit bezüglich dieser Fragen und eines fehlenden Vertrauens entsteht eine Nervosität. Diese wird mittels dieser Theorie versucht zu bewältigen. Je nervöser ein Mensch sich im Zustand einer Ungewissheit fühlt, umso mehr tendiert er zur Leugnung der vorliegenden Ungewissheit. Die Leugnung der Ungewissheit ist natürlich nur durch ‘’Auffüllung’’ der Lücke, die durch das Geleugnete entsteht, möglich. Beim Empfinden einer Gefahr gegen das Leben eines Menschen, gegen das Land in dem er lebt oder aber auch allgemein gegen das soziale und politisch-wirtschaftliche System der Welt neigt der Mensch dazu, die Gruppe in welche er hineingehört, ohne das Erstreben des eigenen Absicherns zu legitimieren und versucht somit die Tatsachen, die zu Ungewissheiten führe, zu bewältigen. Also sind unsere kulturellen Umfelder und unsere Familienwerte unsere Retter in Not, an denen wir uns zu Bewältigungszeiten festhalten, auch wenn wir diese manchmal kritisieren.
Ungewissheit ist gleichzeitig eine Gelegenheit…
Um mit Todesangst, Verlustängsten und Ungewissheiten während der Pandemie umzugehen, beinhalten beide Ansichten, die uns vorgelegt werden, die Vertrautheit des Bekannten als ‘’sicherer Boden unter unseren Füssen’’ zur Krisenbewältigung. Bei ähnlichen Katastrophen, die sich weltweit ereignet haben, beispielsweise etwa der 11. September, führten zu einer stärkeren Vertrauensbildung gegenüber dem politischen System Amerikas und zudem auch eine erhöhte Tendenz zur Fortpflanzung. Der Umgang mit Angst ist jedoch natürlich nicht damit begrenzt, den Blickwinkel stets draußen zu halten.
Ungewissheit ist zugleich eine Gelegenheit. Sie bietet uns ein Feld zum Ausleben der menschlichen Kreativität, erinnert uns daran, über unsere Existenz nachzudenken und erhöht unsere Produktivität. Denn eins ist sicher: Der Mensch möchte gerne überleben. Das Schicksal eines Menschen verbirgt sich hinter dem Bewusstsein über den Tod. Die Menschheitsgeschichte hat die Kunst, die Kultur, die Wissenschaft und sogar die Geschichte dem Wunsch des Menschen zu verdanken, Spuren auf der Welt zu hinterlassen. Werden wir uns also der Ungewissheit hingeben und uns einschüchtern lassen, um einen schönen Klang zu hinterlassen oder werden wir ganz im Gegenteil jeder nach seiner Art und Weise der Leinwand der Welt einen Tupfer hinzufügen und weitermachen?
Wenn sie mich fragen, ist unsere einzige Möglichkeit, um gesund zu bleiben, zu produzieren… Dann gutes Gelingen uns allen…
Elif Kaleli
Fachärztin für Psychologie
Hochschule für Wissenschaft und Kultur