Auch mit Platz 1 wird die Regierung nicht an die FPÖ übergeben werden EINE ANTI-FPÖ-KOALITION SOLL IN ÖSTERREICH GEBILDET WERDEN


Obwohl die rechtsextreme FPÖ die österreichischen Bundeswahlen mit 28,8 Prozent gewonnen hat, wird sie nicht unter den Parteien sein, die eine Koalition bilden werden. Denn das System lehnt die FPÖ als rechtsextrem ab. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat FPÖ-Chef Herbert Kickl entgegen dem Willen des Volkes nicht mit der Regierungsbildung beauftragt. Österreichs neue Koalitionsregierung wird voraussichtlich aus den Wahlverlierern ÖVP, SPÖ und den Grünen bestehen.

Es gab ein Novum in der Geschichte Österreichs. Am 29. September belegte die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) bei den Parlamentswahlen den ersten Platz. Die Wahlbeteiligung lag bei 78 Prozent. Mit 28,8 Prozent der Stimmen errang die FPÖ einen historischen Sieg.

Die regierende Mitte-Rechts-ÖVP kam mit 26,3 Prozent auf den zweiten und die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) mit 21,1 Prozent auf den dritten Platz. Die liberale Partei Neues Österreich (NEOS) erhielt 9,3 Prozent und die Grünen, der Juniorpartner der Regierung, 8,3 Prozent.

Nach diesen Ergebnissen wird die FPÖ 56 Abgeordnete, die ÖVP 52, die SPÖ 41, die NEOS 18 und die Grünen 16 in den 183-köpfigen Nationalrat entsenden.

DAS VOLK GAB DEN TON AN

Herbert Kickl ist der Vorsitzende der FPÖ, die 1959 gegründet wurde. Zum ersten Mal wurde sie die erste Partei bei einer Parlamentswahl. In seiner Siegesrede richtete Kickl seine erste Botschaft an die anderen Parteien, die mit der FPÖ eine Koalitionsregierung bilden wollten: „Überlegt euch gut, was die Botschaft der Bürger ist“, sagte er. Entgegen den Erwartungen gab der FPÖ-Chef positive Botschaften für Österreich und bekräftigte seine Bereitschaft zur Regierungsbildung.

ÖVP UND GRÜNE VERLIEREN STIMMEN, SPÖ FÄLLT AUF PLATZ 3

Der Sieger der Wahl, die FPÖ, legte um 12,6 Prozent auf 28,8 Prozent zu. Die ÖVP, der Koalitionspartner der derzeitigen Regierung, verlor 11,2 Prozent der Stimmen und erhielt 26,3 Prozent. Die SPÖ blieb bei 21,1 Prozent. Die SPÖ verlor nicht nur Stimmen, sondern landete zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf dem dritten Platz. 

Die rechtsliberale Partei Neos erhielt 9,2 der Stimmen, was einem Zuwachs von 1,1 Prozent entspricht. Die Grünen, die 5,6 Prozent der Stimmen verloren, blieben bei 8,3 Prozent. Mit diesen Ergebnissen betrug der Gesamtstimmenverlust der Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen 18 Prozent. 

SCHLÜSSEL ZUM FPÖ-SIEG 

FPÖ-Chef Kickl versprach den Österreichern, eine „Österreichische Festung“ zu errichten, die ihnen Sicherheit, Wohlstand und Frieden zurückgeben würde. Während des Wahlkampfes brachte der FPÖ-Chef seine Ambitionen zum Ausdruck, Volkskanzler zu werden. Die FPÖ vertritt eine Politik, die Besorgnis über Migranten hervorruft, kritisiert das Projekt der Europäischen Union und befürwortet gute Beziehungen zu Russland. Kickl beruft sich oft auf den Neutralitätsgrundsatz Österreichs, der seit dem Zweiten Weltkrieg in der Verfassung verankert ist. Auch die Ablehnung der NATO durch die FPÖ war ein entscheidender Faktor bei der Wahl. Die Beteiligung der ÖVP-Grünen-Regierung an den Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine hatte für Österreich hohe wirtschaftliche Kosten zur Folge. Die FPÖ wandte sich gegen die Anheizung des Krieges und verfolgte eine Politik des Friedens in der Ukraine. Auf diese Weise gewann die FPÖ auch die Anti-NATO- und Anti-US-Wähler, die „Österreich zuerst“ wählten.

DIE SPÖ UND DIE GRÜNEN HABEN IHRE IDENTITÄT VERLOREN

Die ÖVP und die Grünen verloren massivst mit 18 Prozent, während die SPÖ auf demselben Niveau blieb, was auch auf ihr Bekenntnis zu einer pro-amerikanischen und pro-NATO-Politik zurückzuführen ist. Die Parteien, die dem Ende der unipolaren Welt und dem Aufstieg der BRICS, dem Staatenbündnis gegen die Herrschaft des Dollars, den Rücken gekehrt haben, erlitten eine schwere Niederlage. Österreich macht eine Phase durch, in der sich die Sozialdemokraten in Linksliberale verwandeln. Die Grünen und die Sozialdemokraten, die ihre Identität verloren haben, vertreten die Linie, die ihre Souveränität, von der Europäischen Union auf die Vereinigten Staaten von Amerika überträgt und nicht die Interessen des österreichischen Staates.

KEINE PARTEI WILL MIT DER FPÖ REGIERUNGSPARTNER WERDEN

Keine Partei ist in der Lage, die Mehrheit für eine Regierungsbildung im Alleingang zu erlangen. Eine Koalitionsregierung ist daher unausweichlich. Die Parteien, die ins Parlament eingezogen sind, wollen jedoch nicht mit dem Wahlsieger FPÖ koalieren. Der Obmann der ÖVP und Bundeskanzler Karl Nehammer, der mehr als 11 Prozent der Stimmen verlor, betonte gegenüber FPÖ-Chef Kickl, dass er keine Koalition eingehen werde und dass sich seine Haltung nicht geändert habe.

Alle Augen richten sich nun auf den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Van der Bellen hat seit dem 29. September noch keinen Parteichef mit der Regierungsbildung beauftragt. Van der Bellen traf sich mit den Vorsitzenden der fünf Parteien, die nach den Wahlen ins Parlament eingezogen sind, und gab Erklärungen über die zu bildende Koalitionsregierung ab und welche politische Partei für diese Aufgabe bestimmt wird. Van der Bellen erklärte, dass bis zu diesem Zeitpunkt der Vorsitzende der Partei, die bei den Wahlen die meisten Stimmen erhalten hat, mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, aber dass dieses Mal eine ungewöhnliche Situation entstanden sei: „Dies ist das erste Mal, eine völlig neue Situation. Keine Partei will eine Regierung mit dem Wahlsieger bilden.“ 

KICKL: ICH WERDE KEINE KOALITION BEVORZUGEN, IN DER ICH NICHT DER BUNDESKANZLER BIN

Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen zitierte FPÖ-Chef Kickl mit den Worten, dass seine Partei eine Koalition, in der er nicht Bundeskanzler wäre, nicht befürworten würde. Van der Bellen bezeichnete die Situation als „klassischen Pattsituation“. „Ich möchte die Vorsitzenden der drei stimmenstärksten Parteien, Herbert Kickl (FPÖ), Karl Nehammer (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ), bitten, Gespräche auf Parteichefsebene zu führen und glaubwürdig darzulegen, welche wechselseitige Zusammenarbeit (zwischen den Parteien) prinzipiell möglich ist“, so Van der Bellen. Van der Bellen hat den Parteichefs eine Frist bis Ende nächster Woche für Gespräche gesetzt.

ES WIRD EINE KOALITION DER VERLIERER GEBILDET

Die Weigerung von Bundespräsident Van der Bellen, FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung zu beauftragen, und die Entschlossenheit der Parteien, die die Wahlen verloren haben, aber ins Parlament eingezogen sind, „niemals mit der FPÖ“ zu koalieren, bilden die Grundlage für den Plan einer „Koalition der Verlierer“.

Die Koalitionsoptionen ohne FPÖ lauten wie folgt: 

-Die ÖVP mit 52 Sitzen und die SPÖ mit 41 Sitzen haben eine knappe Mehrheit im 183-köpfigen Parlament.

Eine knappe Abgeordnetenanzahl durch eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ ist für die Zukunft der Regierung riskant, daher könnten auch die Grünen oder die NEOS in die Anti-FPÖ-Koalition einbezogen werden. In diesem Fall ist es wahrscheinlicher, dass die dritte Partei die Grünen mit der geringsten Anzahl von Abgeordneten sein werden. 

Beide Möglichkeiten zeigen, dass eine Koalition der Verliererparteien die einzige Option für Österreich ist.

SPÖ STEHT SEIT 2017 STILL 

Die Sozialdemokratische Partei wurde am 1. Januar 1889 gegründet. Seit 1945 stellte sie in 16 der 32 Bundesregierungen Bundeskanzler; sechs der neun Bundespräsidenten der Zweiten Republik waren SPÖ-Mitglieder oder wurden in ihrer ersten Amtszeit von der Partei unterstützt (zuletzt Heinz Fischer im Jahr 2004). Außerdem stellt die SPÖ seit August 2023 drei von insgesamt neun Landeshauptleuten (Wien, Burgenland und Kärnten). Seit der Wahlniederlage 2017 hat die SPÖ ihren Status als Oppositionspartei auf Bundesebene verloren.

Bei den Parlamentswahlen am 29. September 2024 gelang es der SPÖ, die durch die Stimmen der Migrantinnen und Migranten zugelegt hatte, nicht, Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund an die Urnen zu bringen. Die WählerInnen mit Migrationshintergrund, die zur Wahl gingen, bevorzugten meist die FPÖ und die ÖVP. Bei dieser Wahl konnte die SPÖ ihren Stimmenanteil auf 21,1 Prozent festigen.

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